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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0255
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Die Idee der Universität [1946]

(Grimm.)57 Es ist für die Großen, welche immer zunächst im Gegensatz zu Umwelt und
Zeit existieren, wünschenswert, daß die Institutionen nicht ganz durchgreifend wer-
den, daß Lücken bleiben, daß noch ganz unberechenbare Lebensläufe möglich sind,
103 daß Menschen noch auf eigene Ge|fahr Neues wagen können. Eine vollkommene Or-
ganisation und Auswahl aller Menschen, welche eine dauernd vorgeschriebene Arbeit
für die betreffenden Ziele mit sich brächte, würde bald zur Erstarrung führen.259 Der
Geist könnte nicht mehr existieren. Alles würde absolut und endgültig durch die In-
stitutionen bestimmt.
Sehen wir von den großen Menschen ab, die die Härte des Daseins mehr als andere
zu spüren haben, die überall um ihre Existenz kämpfen, da diese in keine vorgefun-
dene Form paßt, von diesen Menschen, die »von je verlästert und verbrannt«59 waren,
so bleibt doch die Frage der Auswahl als eine sinnvolle bestehen, sofern sie relative Er-
folge haben kann und sofern sie soziologisch unvermeidlich ist.
Aber man darf nicht vergessen: jede Auswahl ist irgendwo ein Unrecht. Man denkt
sich, wenn man willentlich eingreift, man wolle das Unrecht vermeiden. Indem man
dies auf der einen Seite tut, führt man unvermeidlich neues Unrecht ein.
Angesichts der Unmöglichkeit einer reinen Lösung der Auslesefrage ist es notwen-
dig, die Scheu und damit die Offenheit für menschliches Wesen zu behalten. Wer
durch seine Entschlüsse und Urteile an der Auslese beteiligt ist, muß die ganze Verant-
wortung fühlen, daß er nicht zur Hemmung werde für die wenigen Besten und nicht
zum Helfer des Durchschnittlichen und Untergeordneten, des Streberhaften und An-
spruchsvollen, des Scheinhaften und Unechten.
Es gibt folgende Arten der bewußten Auslese:
1. durch Examina,
2. durch persönliche Auswahl seitens einer übergeordneten Persönlichkeit,
3. durch Wahl von unten seitens einer formal begrenzbaren Gruppe von
Menschen.
1. Examina sind entweder Zulassungsprüfungen, die entscheiden, ob jemand für ein
Studium qualifiziert ist, oder Schlußexamina, die dem Einzelnen nach erfolgter Aus-
bildung die Erreichung des Zieles bestätigen. Wenn es sich um eine Bevölkerungsmasse
handelt, aus der nur eine kleine Anzahl ausgelesen werden soll zur Ermöglichung des
Besuchs einer höheren Schule und der Universität, so hat für manche der Gedanke et-
104 was Faszinierendes, daß man auf psychologisch-1 experimentellem Wege die Besten
objektiv feststellen könne. Die Begabung festzustellen, bevor die Erziehung einsetzt,
im voraus zu sagen, was aus einem Menschen werden kann, das müßte von höchster
Bedeutung sein. Jedoch was läßt sich so prüfen? Vortrefflich die Vorbedingungen der
Intelligenz, innerhalb gewisser Grenzen auch die Intelligenz, nicht mehr; die Lei-
stungsfähigkeiten und Werkzeuge, dagegen nicht Geist, nicht schöpferische Möglich-
keiten, nicht Wille und Opferbereitschaft. Würde eine solche Auslesemaschine ver-
wirklicht und würde dadurch entschieden, was aus einem Menschen werden soll, so
 
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