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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0267
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Die Idee der Universität [1946]

Daher ist die Situation, daß in einem sozialen Körper, in dem Majoritäten entschei-
den, ein ständiger Ausscheidungsprozeß stattfindet. Instinktiv wird ursprüngliche Un-
bedingtheit des Geistes abgelehnt. Ein geheimes Bekenntnis ist: ein großer Mann ist ein
öffentliches Unglück,268 - das öffentliche Bekenntnis: wir brauchen Persönlichkeiten.
Man will ein normales Format an Tüchtigkeit. Das Minderwertige fällt als unbrauchbar,
der Größere wird stillschweigend ausgeschaltet, und zwar durch die zahllosen, kleinen,
unbemerkten Handlungen der meisten. Wie also soll ein sozialer Körper, der von Ma-
joritäten regiert wird, das Dasein der wenigen wünschen, welche ursprünglich wissen
wollen und sie auf die Dauer auch nur zulassen? Im Mittelalter gab es den Vertretungs-
gedanken: der Denker kontemplierte die Gottheit zugleich in Vertretung der übrigen,
deren Beruf sie zu anderen Tätigkeiten anhielt. Dieser Gedanke wäre wohl heutigen
Massen fremd. Heute könnte vielleicht so gedacht werden: sofern noch geglaubt wird,
daß Wissenschaft etwas sei, was sein solle (und wenigstens als Wissenschaftsaberglaube
ist dieser Gedanke fast allgemein), so muß sie im sozialen Körper einen Platz haben,
wo sie unabhängig von augenblicklicher Anwendbarkeit frei auf alle Gefahr hin ihre
Wege versucht. Es ist die Frage, ob mit solcher Begründung der soziale Körper in seinem
sonst unerbittlichen Aufsaugungsdrang allen Daseins und seinen Massenfunktionen,
ob dieser Leviathan sich an einzelnen Stellen, so in der Frage der Wissenschaft, selbst
einschränke, um einen Platz frei zu halten, damit an ihm geschehe, was er zwar nicht
übersieht, aber von dem er am Ende auch Nutzen für sich selbst erwartet.

120 | 5. Wahrheitsforschung und Politik
Politik gehört an die Universität nicht als Kampf,269 sondern nur als Gegenstand der
Forschung. Wo politischer Kampf an der Universität stattfindet, leidet die Idee der Uni-
versität Schaden. Daß das Dasein und die äußere Gestalt der Hochschule von politi-
schen Entscheidungen abhängig sind und auf dem verläßlichen Staatswillen beruhen,
bedeutet, daß innerhalb der Hochschule - diesem durch den Staatswillen freigegebe-
nen Raum - nicht der praktische Kampf, nicht politische Propaganda, sondern allein
das ursprüngliche Wahrheitssuchen seinen Ort hat.
Das bedeutet die Forderung der unbedingten Lehrfreiheit. Der Staat sichert an die-
ser Stelle einer Korporation das Recht, ohne Beeinflussung durch politischen Partei-
willen oder weltanschaulichen Zwang rein aus der Sache heraus den Versuch zu ma-
chen, die Wahrheit zu erforschen und zu lehren.
Lehrfreiheit ist ein Teil der Freiheit des Forschens und Denkens.270 Denn diese sind
angewiesen auf geistig kämpfende Kommunikation. Die öffentliche Mitteilung ist eine
Bedingung dieser Kommunikation, die über die Welt hin die Sachkundigen und gei-
stig Bereiten sucht. Durch den Staatswillen wird einer Anzahl durch die Generationen
hin sich hörender Menschen Raum gegeben, in ihrer Arbeit auf lange Sicht Distanz zu
den Dingen zu gewinnen, um sie zu erkennen. In der Erforschung der Natur des Men-
 
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