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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0350
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961] 275
Systems des Wissens, wie es frühere Zeiten in philosophischen Systemen entworfen
haben, die alles Wissen in sich schlossen. Die Einheit ist nicht mehr als ein um seine
Mitte geordnetes Ganzes.
Wissenschaftliche Wahrheitserkenntnis im anderen, modernen Sinn ließ sich nur
erreichen unter gewaltiger Einbuße des früheren absoluten Wahrheitsgedankens.
Denn das zwingende Erkennen, das von allen Menschen in Methode und Ergebnissen
anerkannt wird, das allein sich so über die Welt verbreitet, daß darin Einmütigkeit al-
ler entsteht, ist partikular, relativ auf Methoden und Gesichtspunkte, und unfähig,
dem Leben das Ziel zu setzen, den Sinn zu geben.
Wenn daher diese Wissenschaft aufgefaßt wird als Wahrheitserkenntnis im uralten
Sinne der Philosophie, dann gewinnt sie die für unser Zeitalter verhängnisvolle Zwei-
deutigkeit: Wo sie zur Geltung kommt, wirkt sie erleuchtend, die durch sie mögliche
Wissensweise beschwingt, die von aller Subjektivität unabhängige, die Funktion als
Subjekt selber noch objektiv einbeziehende Erkenntnis ist einzig gewiß. Weil aber die
uralte, wesentliche Wahrheit darin nicht vorkommt, wirkt erstaunlicherweise die so
erleuchtende Wissenschaft, wenn ihr Sinn im Ganzen mißverstanden wird, zugleich
verdunkelnd. Dann wird | ihr zugemutet, was sie nicht leisten kann, und sie selber wird
in dem alten Wahrheitssinn genommen und dann Wissenschaftsaberglaube.201
Die frühere, umgreifende, erfüllende Wahrheit braucht jedoch nicht preisgegeben
zu werden. Sie kann nun auf dem Hintergrund wissenschaftlichen Erkennens selber
vielmehr zu größerer Klarheit gelangen als sie je besaß. Durch die zu ihr gehörenden
Methoden des Denkens erweist sie sich als das, was sie immer war, als lebengründend,
lebenführend, sittlich und politisch formend und sich bewährend. Aber in ihren ob-
jektiven Aussagen wird sie nicht wie Wissenschaften allgemeingültig für alle. Eine
neue Grundlage allen Philosophierens entsteht, die viele Philosophien möglich
macht, und die verwehrt, daß eine einzige wahre Philosophie objektiv fortschreite und
sich darstelle.
2. In der Begründung der neuen Wissenschaften und der neuen Weise des Philo-
sophierens liegt etwas beide Verbindendes. Das Erkennen wird verstanden nicht nur
als ein Sehen (theoria) sondern als ein Hervorbringen. Eine Aktivität wird sich ihrer
bewußt, in der nicht die Produktivität von Subjekten, und nicht ein bestehendes Ob-
jektives maßgebend ist, sondern das Umgreifende,218 das in der Subjekt-Objekt-Spal-
tung offenbar wird dadurch, daß im Hervorbringen das Entgegenkommende gefun-
den wird, im Entgegenkommenden das Hervorbringende sich bewährt.
3. Für die moderne Philosophie ist der Schritt Kants (nicht der des deutschen phi-
losophischen Idealismus) begründend geworden: Nicht etwa durch die besonderen
Lehren, die im Neukantianismus herausgegriffen und fälschlich wieder als eine objek-
tive Wissenschaft der Philosophie genommen wurden, sondern durch die in keiner
Lehre endgültig und absolut faßbare Befreiung des Erkennens aus allen Fesseln der
»Ontologie«, als Eröffnung des unendlichen Raums jeder möglichen Weise des Erken-

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