Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0410
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

335

| III. Die Einrichtung der Universität
Die Aufgaben der Universität werden erfüllt im Rahmen einer Institution, die ebenso
unerläßlich wie ständige Gefahr ist.
Der uralte praktische Unterricht (in Handwerken, Bau- und Maler-Werkstätten, in
der Lebensführung, in Waffenkampf und politischer Kunst, in aller beruflichen Praxis
und dies manchmal in besonderen Schulen) dachte nicht an das Ganze der Wissen-
schaften, nicht an die Reinheit des Wissens, sondern nur an die besonderen Erforder-
nisse des Könnens für den jeweiligen Beruf. Der wissenschaftliche Unterricht im Sinne
der Universität dagegen will in den Grund des Wissens führen durch die Idee des ei-
nen Wissens. Er läßt die besondere Praxis ihre Wurzeln finden in der Wissenschaft-
lichkeit im Ganzen. Die Universität hat jederzeit die Aufgabe, den Forderungen der
praktischen Berufe zu genügen und gleicht insofern den alten praktischen Schulen.
Aber die Universität bringt das grundsätzlich Neue, daß sie diese Forderungen erfüllt
durch Aufnahme in das Umgreifende des Wissens überhaupt.
Von der einen Seite her kann die Universität daher aussehen wie ein Aggregat von
Schulen, die sich gegenseitig nichts angehen, oder auch wie ein geistiges Warenhaus,
in dessen Fülle an Angeboten ein jeder sich erwerben mag, was er will. Von der andern
Seite aber bedeutet dieser Aspekt nur den Vordergrund, der Verfall wäre, wenn er zur
wirklichen Struktur der Erkenntnistotalität der Universität würde. Vielmehr ist die
Universität die Erfüllung des Wissenkönnens in seinem weitesten Umfang aus der Ein-
heit der Wissenschaften als der Idee eines Ganzen.
Dieses Ganze als die Einteilung der Wissenschaften ist in der Universität repräsen-
tiert durch die Gliederung in Fakultäten. Die Einteilung der Wissenschaften und die
Ressorts der Fakultäten sollen zueinander in Beziehung stehen. Aber die beiden Glie-
derungen fallen keineswegs zusammen.
11. Der Aufbau der Fakultäten
a) Das Prinzip der Einteilung der Fakultäten
Der an der Universität lebendige Kosmos der Wissenschaften ist nicht aus einem Prin-
zip entworfen. Nicht ein Kopf hat aus dem Wissen des gesamten Umfangs die Wissen-
schaften eingeteilt und das Ganze geplant wie ein Fabrikunternehmen, in dem die Ar-
beit geteilt wird. Vielmehr sind die Wissenschaften als eine Vielheit erwachsen durch
Beziehung auf Zwecke praktischer Berufsausbildung und durch Gliederung in sich sel-
ber mit ihrer sachlichen Entwicklung.

101

102
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften