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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0436
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

36i

besondere Begabungen entscheiden, und daß Geistigkeit hier keine erheblichen Chan-
cen hat.
Eine indirekte Auslese erfolgt etwa durch Lebensverfassung und konventionelle An-
schauungen von Kreisen, denen anzugehören vorteilhaft ist. Wer darin zur Geltung
kommen möchte, gibt sich unwillkürlich innerlich und äußerlich die erforderte Hal-
tung. Was man sein möchte, wird man bald wirklich. Und | diejenigen, welche dieser 137
Schätzung am meisten entsprechen, machen Karriere. Auch hier sind spezifische Be-
gabungen (zum Drill, zur Willfährigkeit, zur Forschheit, zur unentschiedenen Konzi-
lianz je nach der Schicht, der man gefallen muß) entscheidend, nicht eine Geistigkeit.
In der indirekten Auslese kommt zur Geltung die Anziehungskraft von Prämien auf
geistige Leistungen. Solange Geistigkeit nicht mit einem Vorteil verknüpft ist, solange
z.B. auf wissenschaftliche Leistungen keine gesellschaftliche und ökonomische Prä-
mie gesetzt ist, wenden sich nur diejenigen ihnen zu, welche den unbedingten Willen
dahin haben. In dem Maße jedoch, als Bildung und Wissenschaft zugleich Privilegien
mit sich bringen, drängt die Masse der Menschen zu ihnen. Da fast jeder Mensch das
will, was äußere Vorteile bringt und Ansehen gibt, da die meisten insofern über ihre
Kräfte hinauswollen, so werden durch die Prämien keineswegs die eigentlich geistigen
Kräfte bevorzugt, sondern die Energien, die imstande sind, die Äußerlichkeiten geisti-
ger Erscheinung erfolgreich zu zeigen. Es werden die Menschen bevorzugt, denen
nichts an sich gilt, die nicht Muße und Kontemplation, sondern nur Arbeit und Zer-
streuung kennen, denen alles nur Stufe und Trittbrett, und denen das letzte Motiv der
Aufstieg an sich ist.
Die Kräfte, die ohne jemandes Willen und Absicht die Auslese bestimmen und da-
durch über den Gang der menschlichen Dinge tatsächlich entscheiden, sind schwer
übersehbar. Wenn man solche Auswahlmechanismen vergegenwärtigt, kann man
wohl pessimistisch denken. Man will und kann die Auslese nicht allein dem Zufall
überlassen. Man möchte die rechten Auslesekräfte zu stärkerer Geltung bringen. Der
planmäßige Eingriff ist unumgänglich.
Aber neue Schwierigkeiten und die Gefahr, durch planmäßige Auslese gerade auch
schlechte Auslese zu verwirklichen, drängen sich auf.
Zu leicht und schnell macht man die Voraussetzung, die Auswahl solle nach Bega-
bung geschehen, und diese müsse bei den Einzelnen objektiv festgestellt werden, so
daß die Auslese direkt und willentlich, nicht indirekt und zufällig geschehe.
| Jedenfalls nicht auswählbar und bestimmbar sind die großen Einzelnen. »So ist es 138
ausgemacht, daß, wenn auch das gewöhnliche Talent meßbar sein mag, das unge-
wöhnliche nur schwer gemessen werden kann, das Genie vollends gar nicht«
(Grimm).57 Es ist für die Großen, welche fast immer zunächst im Gegensatz zu Umwelt
und Zeit existieren, wünschenswert, daß die Institutionen nicht ganz durchgreifend
wirken, daß vielmehr Lücken bleiben, daß noch ganz unberechenbare Lebensläufe
möglich sind, daß Menschen noch auf eigene Gefahr Neues wagen können. Wenn die
 
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