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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0015
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XIV

Einleitung der Herausgeberin

terberg die Zeitschrift für Pathopsychologie.51 Jaspers’ prompte Beteiligung an Spechts
groß angelegtem, heftig umstrittenem und früh aufgegebenem Programm lässt sich
durch sein persönliches Netzwerk nur auf Umwegen rekonstruieren.52 Vergleicht man
beide Ansätze, sind die Berührungspunkte jedoch offensichtlich. Hierzu eignet sich
Jaspers’ kurzer und in seinen Augen »ziemlich belanglos [er] «53 Aufsatz allerdings kaum,
der im zweiten Heft der Zeitschrift für Pathopsychologie erschien. In seiner Antrittsvor-
lesung über die »Grenzen der Psychologie«, die Jaspers am 13. Dezember 1913 nach Er-
langung der venia legendi im Fach Psychologie hielt, griff er dagegen die wesentlichen
Punkte des Specht’schen Programms auf: »Eine Psychologie, die eine ganze Psycholo-
gie sein will, muss das psychopathologische Material in sich aufnehmen«, behauptet
hier Jaspers kompromisslos.54 Die Trennung beider Disziplinen wäre somit nicht nur
eine zufällige, sondern eine verderbliche, und zwar für beide Bereiche: »Der Psycho-
pathologe ohne Konnex mit der Psychologie beraubte sich des freien Blicks auf das
Ganze, sah nicht die eigentliche Bedeutung seiner Beobachtungen, verharrte bei rein
medizinischen, diagnostischen, oft rein hirnpathologischen Gesichtspunkten. Der
Psychologe beraubte sich der interessantesten und massenhaftesten empirischen
Grundlagen seiner Wissenschaft«. Anders ausgedrückt, bildeten Psychologie und Psy-
chopathologie »sachlich ein Ganzes.«55
Diese sachliche Zusammengehörigkeit zeigt sich gerade an Jaspers’ universitärem
Werdegang. Neben der Allgemeinen Psychopathologie, die »anstelle« einer Habilitations-
schrift vorgelegt wurde, reichte Jaspers alle hier versammelten Schriften für das Habili-
tationsverfahren im Fach Psychologie ein. Mit diesen Vorarbeiten hätte, wie sein Klinik-
direktor Nissl versicherte, einer venia legendi im Fach Psychiatrie nichts im Wege
gestanden, hätte die Universität Heidelberg in den Vorjahren nicht schon vier Privatdo-
zenten in diesem Fach hervorgebracht. Auch die Themen, die Jaspers für den Probevor-
trag vorschlug, waren seinen bisherigen Arbeiten entnommen: »Verstehen und Erklä-
ren in der Psychologie«, »Die Trugwahrnehmungen« und »Die Analyse der Wahnideen«.56

51 Dem Deckblatt der Zeitschrift zufolge waren an Spechts Projekt neben Münsterberg auch Narziss
Ach, Gerardus Heymans, Pierre Janet, Oswald Külpe, Otto Liepmann, Ernst Meumann, Georg
Elias Müller, Alois Pick, Robert Sommer, Gustav Wilhelm Störring und Henri Bergson als Mitar-
beiter beteiligt. Die meisten von ihnen lieferten jedoch keine schriftlichen Beiträge.
52 Am wahrscheinlichsten dürfte der Kontakt zur Zeitschrift über den Psychologen Oswald Külpe
erfolgt sein. Vgl. hierzu H. W. Gruhle an K. Jaspers, 25. September 1912, in: K. Jaspers: Korrespon-
denzen I,101. Zudem käme auch Max Weber als Vermittler in Frage, da dieser mit Münsterberg in
Verbindung stand. Vgl. P. Isenböck: »Max Weber und Hugo Münsterberg. Über die Rolle des »ak-
tuellen Verstehens< bei der Grundlegung einer verstehenden Soziologie«, in: G. Wagner, C.
Härpfer (Hg.): Max Webers vergessene Zeitgenossen. Beiträge zur Genese der Wissenschaftslehre, Wies-
baden 2016,15-28.
53 Vgl. K. Jaspers an die Eltern, n. Februar 1913, DLA, A: Jaspers.
54 Jaspers: »Grenzen der Psychologie«, ebd., 35.
55 Ebd.
56 Ausführlicher hierzu Gundlach: Wilhelm Windelband, 396-397.
 
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