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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0191
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Eifersuchtswahn

sehen Prozeß in unserem Sinne beginnen lassen, aber bei diesen physischen Prozessen
ist eine solche Zerlegung vorerst undurchführbar (sie müßte natürlich wiederum
sowohl von physischer wie von psychischer Seite geschehen, ohne daß zwischen bei-
den Arten von Zerlegungen vorerst Beziehungen bestehen würden). Wir beobachten
ein solch sinnloses Durcheinander, eine so unberechenbare Folge psychischer Phäno-
mene bei dem histologisch und ätiologisch völlig gleichartigen Prozeß, daß wir hier
zunächst nicht weiter kommen. Aber wir können unter der Fülle der Geisteskranken
120 nach Fällen suchen, wo wir Prozesse finden in | unserem Sinne, wo aber diese Prozesse
möglichst einfach und durchsichtig sind. Hier können wir hoffen, auf psychologische
Einheiten resp. Typen von Prozessen zu stoßen, die sich weiter und weiter ausdehnen
und uns schließlich eine Ordnung selbst in die sinnlose Fülle der Erscheinungen etwa
bei paralytischen Vorgängen auch vom psychologischen Standpunkte bringen lassen.
Mit diesem psychologischen Bedürfnis fällt nun günstig eine Denkmöglichkeit
zusammen, die sich aus den vorigen parallelistischen Erwägungen ergibt. Es erhebt
sich die Frage: Gibt es vielleicht progrediente, sei es zum Schwachsinn, sei es zu unheil-
barer Umwandlung führende Psychosen, die ihre Ursache nicht in entfernteren, sei es
Hirn-, sei es Organprozessen haben, sondern in dem Lebensvorgang der als enorm
kompliziert zu denkenden direkten Parallelprozesse des psychischen Lebens selbst
(besonders in den sogenannten Dispositionen), und zwar infolge angeborener Anlage
vergleichbar, z.B. den Geschwülsten auf körperlichem Gebiet. Ein Vergleich mit die-
sen körperlichen Prozessen aus Anlage heraus ist darum schwer möglich, weil wir es
hier immer mit relativ groben, chemischen oder mechanischen Vorgängen zu tun
haben, während beim psychischen Dasein die Gipfel eines als nicht kompliziert genug
zu denkenden biologisch-chemischen Organlebens die Grundlage bilden, welche bei
den anderen Organen, wenn sie überhaupt vorhanden wären, keine Rolle spielen,
wegen der relativ groben Leistung dieser Organe, bei deren Vollzug das Leben gesichert
ist. - Immerhin ist ein Vergleich mit den körperlichen Prozessen aus Anlage das einzig
Mögliche, wenn wir uns im nosologischen Gebiet überhaupt nach Vergleichen umse-
hen wollen. Da boten sich uns zum Vergleich an z.B. die Entwicklung der Geschwül-
ste. Bei diesen Krankheiten handelt es sich um aus der Anlage entspringende Prozesse,
die durch äußere Bedingungen nicht verursacht, sondern höchstens ausgelöst werden.
In ähnlicher Weise gibt es auch grobe Gehirnprozesse, die sekundär als Folge psychi-
sche Erscheinungen nach sich ziehen: Hirntumor, Idiotieformen.345 Alle Gehirnpro-
zesse nun, die diesen vergleichbar sind, sind eben nur Gehirnprozesse, und was als
Folge derselben psychisch auftritt, ist sekundär wie bei der Paralyse.
Demgegenüber können wir uns zu einer bestimmten Zeit beginnende Prozesse in den
direkten Parallelvorgängen denken. Wir können sie als gutartige und als bösartige, als zu
einer einmaligen leichten Umwandlung oder bei dauerndem Fortschritt als zur Ver-
blödung führend denken. Immer würden diese Vorgänge im Gegensatz zu den »Ent-
wicklungen« in unserem früher fest gestellten Sinne »Prozesse« sein. Diese Prozesse in
 
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