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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0230
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Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

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ab, so daß sich in diesen die Resultate immer ähnlicher werden. Dies beruhe allem Ver-
muten nach darauf, daß mit dem Ansteigen in obere Klassen derselbe Text für die sämt-
lichen Schüler immer leichter werde. »Es bedarf immer weniger eines eigentlichen,
zeitkostenden und | irgendwie intensiven Nachdenkens, um die richtigen Kombina- 153
tionen zu finden. Ist hierin aber eine gewisse Grenze erreicht, fällt jedem jede Kombi-
nation sozusagen sofort ein, wie er ihrer ansichtig wird, so ist auch der intelligentere
und für die Schule bessere Schüler dem schwächeren nicht mehr überlegen.«405 - 2. ver-
liert sich die Übereinstimmung zwischen Kombinationsleistung und Klassenplatz,
wenn man mit der Fraktionierung der Resultate zu allzu kleinen Abteilungen herab-
steigt oder gar nur einzelne Individuen in Betracht zieht. Das liegt an zwei Faktoren,
die mit der Intelligenz keinen notwendigen Zusammenhang haben. Einmal komme
es hier, wie bei jeder Methode, bei der nur eine beschränkte Zeit zur Verfügung gestellt
wird, auf die Schnelligkeit der Auffassung an, die nicht im Zusammenhang mit umsich-
tigem und tüchtigem Denken stehe; und dann »spielt beim Kombinieren die rein for-
male Gewandtheit in der Handhabung der Muttersprache eine große Rolle«.406 - Wir kön-
nen hieraus für unsere Zwecke zunächst lernen, daß wir weit davon entfernt sind, mit
der Ebbinghaus-Methode eine reine Prüfung der Kombination vorzunehmen, die uns
eine quantitative Bewertung im Einzelfall erlaubt, daß die Methode nach Ebbinghaus
sich vielmehr nur bei Massenuntersuchungen in Durchschnittszahlen bewährte. Und
ferner: daß eine Kombinationsprüfung um so weniger vorliegt, je leichter der Text für
das untersuchte Individuum ist. Diese Leichtigkeit hängt nämlich nicht nur von der
Intelligenz, sondern auch von der formalen Sprachgewandtheit und der genossenen
Bildung ab.
Die Ebbinghaus-Methode hat an der Ziehenschen Klinik407 Weck'408 bei 75 Geistes-
kranken angewandt. Er nahm die von Ebbinghaus veröffentlichten Texte und hat die
Ergänzungen der Kranken auf folgende Weise berechnet: Verlängerte Dauer der Aus-
füllung und Auslassungen werden als »Hemmung« bezeichnet; sinnlose Ausfüllungen
als »Defekt«. Die Hemmung wird zahlenmäßig festgestellt, indem die Normalzahl in
der Minute ausgefüllter Silben (für diesen Text an Gesunden festgestellt: 6) durch die
Zahl der in einer Minute von Kranken ausgefüllten Silben dividiert wird. Der »Defekt«
ergibt sich durch das Verhältnis der sinnlosen Ausfüllungen zu den Ausfüllungen über-
haupt in Prozenten ausgedrückt. So fand Weck im Durchschnitt z.B. bei Paralytikern
H 15 D 22, bei Dementia senilis H123 D 10, bei Hebephrenie343 H 18 D 39. Die Bezeich-
nungen »Hemmung« und »Defekt« erscheinen hier recht unzweckmäßig; mit Hem-
mung ist etwas ganz anderes gemeint als mit dem klinischen Begriff der Hemmung.
Das verlangsamte Ausfüllen mit schließlichem Erfolg ist ja überhaupt mit völliger
Unfähigkeit zum Ausfüllen gar nicht auf eine Stufe zu stellen. Man vergleiche z.B. die
»Hemmung« der Dementia senilis. Die Hemmungszahlen erscheinen somit ganz wert-

Weck, Die Intelligenzprüfung nach der Ebbinghausschen Methode. Diss. Berlin 1905.
 
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