Die Trugwahrnehmungen
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die Stimmung wirken manche intensiv ein, das ganze Gefühlsleben wird von ihnen
ergriffen. Andere werden von den Kranken als merkwürdige Phänomene einfach beob-
achtet ohne innere Beteiligung. Manche werden rasch vergessen, andere prägen sich tief
ein und bilden ein fundamentales Erlebnis.
Vielfach ist die überwältigende Macht auffällig, die die Sinnestäuschungen haben.
Gebietende Stimmen bezeichnet man als imperative Halluzinationen. Es wird Kran-
ken befohlen, keinen Bissen zu essen, unbeweglich still zu liegen oder ins Wasser zu
springen. Ein Kranker mußte »zur Verbesserung seines Kräftezustandes« auf Kom-
mando der Stimmen bestimmte gymnastische Bewegungen machen. Er fand es
unmöglich, sich dem Befehl zu entziehen.
Auch das Realitätsurteil gehört nicht zum Tatbestand der Sinnestäuschungen, son-
dern ist das Resultat des Verhaltens der von den Täuschungen befallenen Psyche (Ana-
lyse bei Goldstein und Jaspers).
Untersuchungsschema
Der Zweck dieses Schemas ist nicht die Zusammenstellung eines Fragebogens, der nun
von Anfang bis zu Ende je nach Bedürfnis durchgefragt werden kann. Auf solche Weise
kann man Kranke nicht untersuchen. Was man für ein Individuum vor sich hat, was
man bisher zufällig oder absichtlich erfahren hat, die Situation, in der man sich mit dem
Kranken befindet, sein Bewußtseinszustand und anderes verlangen bis zu einem gewis-
sen Grade bei jeder Untersuchung eine | neue Schöpfung der geeigneten Fragen. Darum 305
soll man nicht einen Fragebogen im Kopf haben, sondern nur wissen, was für Dinge man
auf irgendeine Weise herausbekommen muß*. Außerdem sind aber immerhin eine Reihe
von technischen Kniffen, auch in Form besonderer einzelner Fragen lernbar. Die Dinge,
auf die es bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnis ankommt, sind aus dem ganzen Re-
ferat zu ersehen. Einige Frageformen, technische Hilfsmittel und einige Gesichtspunkte
bei der Untersuchung sollen unsystematisch hier noch aufgezählt werden.
Die Exploration der Kranken nach Sinnestäuschungen darf nicht so vor sich gehen,
daß wir sie die Inhalte einfach erzählen lassen, wie sie ihnen gerade einfallen. Dem Kran-
ken sind ja gerade diese Inhalte, das was die Erscheinungen ihm bedeuten, das allein
Wichtige. Wir wollen vor allem die Formen feststellen, in denen die Erlebnisse stattfin-
den, und müssen daher nach Dingen fragen, über die spontan etwas anzugeben, ja über
Ist die Variierung der einzelnen Untersuchung eine Sache der Kunst, die nur zum Teil lernbar ist,
wird dabei in jedem einzelnen Fall neu »geschaffen«, so ist auf der anderen Seite festzuhalten, daß
die Mitteilung des Gefundenen, wenn sie Geltung beansprucht, Wissenschaft ist und feststehen-
der immer wieder gebrauchter Begriffe bedarf. Darum ist es ein großer Fehler, sich für jeden Fall
ad hoc seine naturgemäß verschwommenen psychopathologischen Begriffe zu bilden, die beim
nächsten Fall wieder vergessen sind. Schöpferisch und immer wechselnd in der Untersuchung der
einzelnen Menschen, an feste Begriffe angelehnt und neue Begriffe behutsam und dann mit der
Absicht der Dauer festlegend bei der Mitteilung des Gefundenen!
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die Stimmung wirken manche intensiv ein, das ganze Gefühlsleben wird von ihnen
ergriffen. Andere werden von den Kranken als merkwürdige Phänomene einfach beob-
achtet ohne innere Beteiligung. Manche werden rasch vergessen, andere prägen sich tief
ein und bilden ein fundamentales Erlebnis.
Vielfach ist die überwältigende Macht auffällig, die die Sinnestäuschungen haben.
Gebietende Stimmen bezeichnet man als imperative Halluzinationen. Es wird Kran-
ken befohlen, keinen Bissen zu essen, unbeweglich still zu liegen oder ins Wasser zu
springen. Ein Kranker mußte »zur Verbesserung seines Kräftezustandes« auf Kom-
mando der Stimmen bestimmte gymnastische Bewegungen machen. Er fand es
unmöglich, sich dem Befehl zu entziehen.
Auch das Realitätsurteil gehört nicht zum Tatbestand der Sinnestäuschungen, son-
dern ist das Resultat des Verhaltens der von den Täuschungen befallenen Psyche (Ana-
lyse bei Goldstein und Jaspers).
Untersuchungsschema
Der Zweck dieses Schemas ist nicht die Zusammenstellung eines Fragebogens, der nun
von Anfang bis zu Ende je nach Bedürfnis durchgefragt werden kann. Auf solche Weise
kann man Kranke nicht untersuchen. Was man für ein Individuum vor sich hat, was
man bisher zufällig oder absichtlich erfahren hat, die Situation, in der man sich mit dem
Kranken befindet, sein Bewußtseinszustand und anderes verlangen bis zu einem gewis-
sen Grade bei jeder Untersuchung eine | neue Schöpfung der geeigneten Fragen. Darum 305
soll man nicht einen Fragebogen im Kopf haben, sondern nur wissen, was für Dinge man
auf irgendeine Weise herausbekommen muß*. Außerdem sind aber immerhin eine Reihe
von technischen Kniffen, auch in Form besonderer einzelner Fragen lernbar. Die Dinge,
auf die es bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnis ankommt, sind aus dem ganzen Re-
ferat zu ersehen. Einige Frageformen, technische Hilfsmittel und einige Gesichtspunkte
bei der Untersuchung sollen unsystematisch hier noch aufgezählt werden.
Die Exploration der Kranken nach Sinnestäuschungen darf nicht so vor sich gehen,
daß wir sie die Inhalte einfach erzählen lassen, wie sie ihnen gerade einfallen. Dem Kran-
ken sind ja gerade diese Inhalte, das was die Erscheinungen ihm bedeuten, das allein
Wichtige. Wir wollen vor allem die Formen feststellen, in denen die Erlebnisse stattfin-
den, und müssen daher nach Dingen fragen, über die spontan etwas anzugeben, ja über
Ist die Variierung der einzelnen Untersuchung eine Sache der Kunst, die nur zum Teil lernbar ist,
wird dabei in jedem einzelnen Fall neu »geschaffen«, so ist auf der anderen Seite festzuhalten, daß
die Mitteilung des Gefundenen, wenn sie Geltung beansprucht, Wissenschaft ist und feststehen-
der immer wieder gebrauchter Begriffe bedarf. Darum ist es ein großer Fehler, sich für jeden Fall
ad hoc seine naturgemäß verschwommenen psychopathologischen Begriffe zu bilden, die beim
nächsten Fall wieder vergessen sind. Schöpferisch und immer wechselnd in der Untersuchung der
einzelnen Menschen, an feste Begriffe angelehnt und neue Begriffe behutsam und dann mit der
Absicht der Dauer festlegend bei der Mitteilung des Gefundenen!