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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0452
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Kausale und »verständliche« Zusammenhänge

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herrn. Er hat mich aufmerksam gemacht, daß der Elektrische Straßenbahnschaffner alle Tage
zu meiner Frau komme, aber auch noch mehr Herren sind gekommen. Da braucht man nicht
ein Trinker zu sein, wenn man sich das zu Herzen nimmt, wie eine Frau einen Mann umtrehen
kann, zudem ist der Mann von der Straßenbahn, verheiratet, hat auch ein oder zwei Kinder. Ich
brachte heraus, daß er meiner Frau zwanzigmark gab, sie solle ihm drei Hemden kaufen was sie
auch tat. Die Hemden kosteten zwölfmark was geschah mit den acht Mark???
Ich arbeitete zuletzt bei H... Fuhrunternehmer und Kiesgeschäft, vom ipten April Mittwochs
bis Samstag den ersten Juni 1912 als Taglöhner. Ich arbeitete jeden Tag, mit eineinhalbtätgiger
Unterbrechung. Da wurde ich einmal vorgeladen, wegen Vormundschaftssachen, das anderemal
wurde ich verklagt wegen Möbelsachen. Ich trank jeden Tag mein Bier während der Arbeit nach
maß und Ziel, Ich verbrauchte jeden Tag, zweimark da glaubte meine Frau, es sei zu fiel, drei Fla-
schen Bier kosten 60 Pfenig Ein Leibgenbrot 26 Pfg. Ein Rippchen oder Wurst so sind gleich
zweimark fort jetzt hat man noch nichts warmes. Eßt man zu Mittag kostet 60 Pfg. oder zu Nacht
50 Pfg. also sie kochte nicht sie ging Servieren, so waren die Kinder, wie ich selbst, auf sich ange-
wiesen. Ich sagte oft zu ihr, daß es so nicht weitergehen kann, daß es anders werden müsse, sie
solle zu Hause bleiben, in ihrer Haushaltung, der Sohn solle arbeiten gehen und sie solle kochen,
da hätten wir doch ein anderes Leben, das nützte alles nichts! ich gehe Servieren und du kannst
machen was du willst. Die Frau war schuld, und der Mann war schuld, Ihr lag nichts am Möbel
zum bezahlen, noch an Miete zu bezahlen, so kam es dann am Maimark Dienstag, daß wir die
Möbel geholt bekamen, ich wollte danach gehen, sie weigerte sich und sagte sie gehe zu ihrer Mut-
ter, Ich solle meine Tochter nur zu mir nehmen das tat ich nicht, sondern nahm Abends mei-
nen ältesten Sohn zu mir schlafen. Ich kam dann noch zweimal zu meiner Frau, und fragte sie
was eigentlich los sei, ob sie mich wirklich, wieder nach Heidelberg bringen wolle. Sie gab mir
zur antwort sie miete sich ein Möbelliertes Zimmer und ginge hinein. Ich schlief dann achttage
in einer Wirtschaft, dann mietete ich mir in der S...Straße No. ... im dritten Stock eine Schlaf-
stelle, bei Frau K. Witwe. Ich teilte dann dem Bürgermeisteramt ergebenst mit, daß meiner Frau
die Kinder genommen werden sollten, indem meine Frau so einen schlechten Lebenswandel
führe, und die Kinder eine andere Erziehung bedürfen, da ich Ehescheidung beantrage. So wurde
ich vor den Waissenrat geladen, und mir mitgeteilt, Ich solle bei dem Gemeindegericht Ehe-
scheidung beantragen, so würden ihr die Kinder schon entzogen werden. Ich sagte, daß so lange
meine Frau, die Kinder in ihren Händen hat, ich ihr keinen Pfennig bezahle was ich auch tat.
Meine Frau hätte sich so ganz wohl gefühlt, wenn ich ihr so zehn Mark alle Wochen gegeben
hätte, und sie mit andern herumziehen können. Wenn eine Frau mit andern Männern lebt als
dem mit ihren Ehemann, so hat er auch für nichts zu sorgen, so sollen die Herrn die Familie ver-
halten die mit der Frau verkehren, Ich wurde voriges Jahr genug gewarnd, Ich solle sie laufen
lassen, dachte aber immer an die Kinder, was mit diesen geschehen würde, desshalb nahm ich
| meine Frau noch einmal. Aber es ist mein Verderben bis jetzt gewesen. Ein jeder1 wollte sie hei- 353
raten, oder lieben, sie gingen alle Donnerstag in das Apollo Theater, wenn meine Frau frei hatte,
oder machten sonst Ausflüge miteinander. Mir versprach sie als, morgens heute Abend, gehen
wir einmal zusammen aus, was aber nicht geschah. Sondern als ich nach Hause kam, war meine
Frau als schon längst verschwunden und ließ mir als zurück, sie komme bald, dann werden wir
einmal ins Apollo Theater gehen. Aber mein warten war als vergebens, sie kam nie zu früh, ihre
zeit war durchschnittlich, zwischen zwei bis dreiuhr, oder gar noch Später. Einmal war es ihr

Martin Bauer und der elektrische Straßenbahnschaffner.
 
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