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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0019
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XVIII

Einleitung des Herausgebers

im kulturwissenschaftlichen qua Wertphilosophie. Selbst die Lebensphilosophie, die
die Prozessualität des Seins postulierte und damit einen scheinbar mit traditionellen
erkenntnistheoretischen Mitteln kaum einholbaren Bereich ins Zentrum rückte, sollte
im Rahmen der Rickert’schen Universalisierungsoffensive in der Wertphilosophie auf-
gelöst werden.60
Trotz des stolzen, nicht selten mit Arroganz zur Schau gestellten Bewusstseins, Teil
einer Renaissance der kritischen Philosophie zu sein, blieben die Errungenschaften
der Wertphilosophie im Ganzen merkwürdig blass. Von den transzendental verorte-
ten Werten in ihrer Daseinsfreiheit und Allgemeingültigkeit war wenig mehr auszu-
machen als die Werte des Wahren, Guten, Schönen und Heiligen - eine magere Reihe,
die von Rickert später nur noch unwesentlich und nicht eben glücklich um die Sitt-
lichkeit und die Glücksgemeinschaft erweitert wurde.61 Von einer Neuausrichtung des
philosophischen Denkens, wie sie angesichts der geschichtlichen Umwälzungen ge-
boten schien, ließ die Südwestdeutsche Schule nur wenig erkennen. Windelband wid-
mete sich weitgehend seinen philosophiehistorischen Arbeiten, Rickert verlor sich in
der Anfechtung philosophischer Modeströmungen, so dass jenseits scharfsinniger,
häufig selbstgefällig wirkender Nadelstiche vor allem gegen die Lebensphilosophie und
Psychologie, nur wenig konstruktiver Ertrag blieb. Zwar nahm Rickert nach Erschei-
nen der Psychologie der Weltanschauungen noch einmal Anlauf, seinem Logos-Aufsatz
von 191362 Taten folgen zu lassen und ein dreibändiges »offenes System der Werte« aus-
zuarbeiten.63 Sein Versuch blieb jedoch im ersten Band, der Allgemeinen Grundlegung
der Philosophie64 stecken.65 Trotz des Vorhabens, eine Weltanschauungslehre als kriti-
sche transzendentale Wertphilosophie auszubilden, konnte die Südwestdeutsche
Schule nicht genug schöpferische Kraft aufbringen, um sich gegenüber der zweiten
prominenten Strömung der zeitgenössischen Philosophie, der Phänomenologie, zu
behaupten. Mit dem Aufkommen der Existenzphilosophie, deren Erfolgsgeschichte
mit Heideggers 1927 erschienenen Werk Sein und Zeit begann und die sich 1932 mit
Jaspers’ dreibändiger Philosophie als neue philosophische Richtung etablieren konnte,
war die Wertphilosophie neukantianischer Provenienz schließlich endgültig erledigt.
Rickerts Lehre verblasste rasch und gilt heute als fast vergessen.66

60 Vgl. H. Rickert: Allgemeine Grundlegung der Philosophie, Tübingen 1921,313-318.
61 Vgl. H.-L. Ollig: Der Neukantianismus, 63.
62 H. Rickert: »Vom System der Werte«, a.a.O.
63 Vgl. A. Messer: Deutsche Wertphilosophie, 46.
64 Tübingen 1921.
65 Vgl. J. Oelkers u.a.: »Zur Einführungin diesen Band«, in: ders. u.a. (Hg.): Neukantianismus. Kultur-
theorie, Pädagogik und Philosophie, Weinheim 1989, 7-35, 11.
66 Vgl. F. H. Tenbruck: »Heinrich Rickert in seiner Zeit. Zur europäischen Diskussion über Wissen-
schaft und Weltanschauung«, in: J. Oelkers u.a. (Hg.): Neukantianismus. Kulturtheorie, Pädagogik
und Philosophie, 79-105, 80.
 
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