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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0021
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XX

Einleitung des Herausgebers

löge, der mit philosophiehistorischen Positionen operierte, unmittelbar von den
Nachwirkungen dieser Debatte betroffen, wie der Versuch seines philosophischen Kol-
legen und Kontrahenten Heinrich Rickert* * 72 zeigt, Jaspers als Psychologisten zu des-
avouieren.73
Eine Verortung des Jaspers’schen Ansatzes im Kontext dieser Debatte erscheint für
das Verständnis der Psychologie der Weltanschauungen vor allem deshalb aufschluss-
reich, weil sie das Verhältnis von Psychologie und Philosophie sowohl in inhaltlicher
als auch disziplinärer Hinsicht zu klären hilft und ein Licht auf die Reaktionen wirft,
die Jaspers’ Buch in der philosophischen Fachwelt hervorgerufen hat.
Der spätestens seit den iSyoer-Jahren offen in der deutschen Philosophie ausgetra-
gene Psychologismusstreit nahm seinen Anfang im Versuch, der Philosophie in einer
zunehmend naturwissenschaftlich-positivistisch geprägten akademischen Landschaft
ein Fundament zu geben, sie mithin als strenge Wissenschaft ausweisen zu können. Die
Psychologie ihrerseits war bis dahin fester Bestandteil der Philosophie und begann sich
erst im Zuge der Erfolge der experimentellen Psychologie und ihrer mit Wilhelm Wundts
Gründung des ersten experimentalpsychologischen Laboratoriums 1879 einsetzenden
Institutionalisierung als eigenständige wissenschaftliche Disziplin zu konturieren.
Im deutschsprachigen Raum waren es vor allem die Ansätze von Jakob Friedrich
Fries, Friedrich Eduard Beneke, Franz Brentano, Carl Stumpf, Wilhelm Wundt und
Theodor Lipps,74 die in unterschiedlich starken Formulierungen eine Neuorientierung
einleiteten, welche die Psychologie als »philosophische Grundwissenschaft« erschei-
nen ließ.75 Allerdings vertraten nur Beneke und Lipps im engeren Sinne psychologis-
tische, die Philosophie vom Standpunkt der empirischen Psychologie grundsätzlich
in Frage stellende Positionen. Die psychologistische Theoriebildung, in England pro-

in: ders., S. Micali u.a. (Hg.): Karl Jaspers - Phänomenologie und Psychopathologie, Freiburg i.Br.,
München 2013,13-24; vgl. hierzu auch die Stellenkommentare Nr. 171 und Nr. 245.
72 Vgl. zum Verhältnis zwischen Rickert und Jaspers: S. Wagner: »Philosophie und Psychologie. Zur
Polemik zwischen Jaspers und Rickert«, in: A. Donise u.a. (Hg.): Methodologie, Erkenntnistheorie,
Wertphilosophie. Heinrich Rickert und seine Zeit, Würzburg 2016,167-177; R. A. Bast bezeichnete das
Verhältnis zwischen Jaspers und Rickert als »herzliche Feindschaft« (»Vorwort«, in: H. Rickert:
Philosophische Aufsätze, hg. von R. A. Bast, Tübingen 1999, IX).
73 Vgl. Rickert: »Psychologie der Weltanschauungen und Philosophie der Werte«, in: Logos. Interna-
tionale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, Bd. 9, H. 1 (1920) 1-42.
74 Vgl. J. F. Fries: Neue oder anthropologische Kritik der Vernunft, 3 Bde., Heidelberg 1828-1831; F. E. Be-
neke: System der Logik als Kunstlehre des Denkens, 2 Bde., Berlin 1842; F. Brentano: Psychologie vom
empirischen Standpunkt, 3 Bde., Bd. 1: Leipzig 1874, Bd. 2: Leipzig 1911, Bd. 3: Leipzig 1928; C. Stumpf:
»Psychologie und Erkenntnistheorie«, in: Abhandlungen der philosophisch-philologischen Classe der
Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 19 (1892) 467-516; W. Wundt: »Ueber die
Eintheilung der Wissenschaften«, in: Philosophische Studien, Bd. 5 (1889) 1-55; T. Lipps: »Die Auf-
gabe der Erkenntnistheorie und die Wundt’sche Logik«, in: Philosophische Monatshefte, Nr. 16 (1880)
529-539, ders.: Grundzüge der Logik (1893). Die psychologistischen Zuschreibungen sind jedoch
zum Teil zweifelhaft, u.a. weil das Psychologieverständnis der Autoren erheblich differiert.
75 M. Rath: DerPsychologismusstreit, 36.
 
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