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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0028
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Einleitung des Herausgebers

XXVII

nicht ohne Bedauern formulierte, zu dem Buch geworden, »auf Grund dessen« er Phi-
losophieprofessor wurde.119
6. Entstehungsgeschichte der »Psychologie der Weltanschauungen«
Ursprünglich war das erste psychologische Projekt von Jaspers ganz anders akzentu-
iert gewesen. Seit 1914 arbeitete Jaspers an einem Buch mit dem Arbeitstitel »Verste-
hende Psychologie« - ein Thema, das er in seinen Ausführungen zu einer »Verstehen-
den Psychopathologie« im Rahmen seines Aufsatzes »Kausale und >verständliche<
Zusammenhänge zwischen Schicksal und Psychose bei der Dementia praecox (Schi-
zophrenie)« bereits 1913 methodologisch durchdekliniert hatte.120
Im November 1914 berichtet Jaspers’ Frau Gertrud seinen Eltern, dass er sich mit
Metaphysik auseinandersetze, weil er für seine »Verstehende Psychologie« ein Kapitel
über Weltanschauungen anfertigen müsse.121 Für dieses Projekt, zu dem Jaspers eine
Vorlesung für das nächste Semester anvisierte, suchte Jaspers das »psychologische Ma-
terial der Vergangenheit«. Dazu bedürfe er, wie er am 25. Dezember 1914 schreibt, »ei-
ner gründlichen historischen Bildung«.122 Sein in der Psychologie der Weltanschauungen
verfolgter Ansatz, historische philosophische Reflexionen aus ihren systemischen und
historischen Rahmungen herauszulösen und für eine psychologische Typologie
fruchtbar zu machen, deutet sich in diesem Brief bereits an: »Augenblicklich lebe ich
in den Anfängen des rein theoretischen menschlichen Denkens, das im 6. Jahrh. vor
Chr. zum ersten Mal entstand. Übrigens fahre ich immer in den Jahrtausenden hin
und her, da es sich für mich um den Vergleich der Menschen, ihrer Gesinnungen und

119 K. Jaspers: Korrespondenzen II, 628; vgl. auch den Bericht der Berufungskommission vom 10. No-
vember 1919, der zunächst zu Jaspers’ Ernennung zum Extraordinarius als Nachfolger Hans
Drieschs geführt hatte: »Die Kommission beantragt, Jaspers als einzigen Kandidaten zu nennen.
Wenn wir von dem Gebrauch, mehrere Namen zu nennen, diesmal abweichen, so muß das eine
Ausnahme bleiben. Es ist lediglich begründet in dem allgemeinen Zustand der gegenwärtigen
Universitätsphilosophie einerseits, wie in der Eigenart der wissenschaftlichen Persönlichkeit von
Jaspers andererseits. [...] Die tüchtigen Vertreter, besonders der experimentellen Psychologie sind
oft einseitig specialistisch orientiert und daher nicht geeignet, als Lehrer der Philosophie zu wir-
ken. Auf Jaspers trifft dies nicht zu. [...] Seit kurzem liegt nun [...] auch ein größeres Werk von ihm
vor, die »Psychologie der Weltanschauungem, das dem Titel nach zwar ebenfalls psychologisch
ist, in Wahrheit jedoch, wie es der Stoff mit sich bringt, zentrale philosophische Probleme um-
fassend und eingehend behandelt. Das eigenartige und gedankenreiche Buch sichert Jaspers eine
angesehene Stellung unter den heutigen Philosophen und zeigt, daß er auch Philosophie zu leh-
ren sehr geeignet ist. [...] Es würde recht schwer sein, einen Mann von auswärts zu gewinnen, der
die moderne Psychologie so gut beherrscht wie er und hiermit ein so hohes Maß philosophischer
Selbständigkeit verbindet, das ihn besonders vor Überschätzung der experimentellen Psycholo-
gie bewahrt« (10. November 1919, UAH H-IV-102/146).
120 Vgl. hierzu: Einleitung zu diesem Band, XXXIV-XXXVII.
121 G. Jaspers an Enno Jaspers, 28. November 1914.
122 K. Jaspers an die Eltern, 25. Dezember 1914.
 
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