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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0032
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Einleitung des Herausgebers

XXXI

struktion von Sinnzusammenhängen, auf die »Kenntnis der Bedeutung des Gewollten
selbst« gerichtet.141
Die Soziologie beschreibt Weber als Wissenschaft des Verstehens gesellschaftlich
vermittelter Sinnzusammenhänge, in die alle intersubjektiv verbindlichen Sinn- und
Wertsetzungen einer Gesellschaft und ihrer Akteure eingelassen sind. Im Vordergrund
seines Interesses, insbesondere der von Jaspers in seinem Buch angesprochenen reli-
gionssoziologischen Schriften, steht dabei der objektive Sinn als »Kulturbedeutung«
und der »funktionale Sinn«, der für gesellschaftliche Wandlungsprozesse verantwort-
lich ist. Dabei nimmt Weber für die Soziologie nicht nur das Verstehen in Anspruch,
sondern auch das Erklären. So sieht er die Aufgabe der Soziologie als empirischer Wis-
senschaft primär darin, soziales Handeln »deutend [zu] verstehen und dadurch in sei-
nem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich« zu erklären.«142 Erklären meint dabei
für Weber: »Erfassung des Sinnzusammenhangs, in den, seinem subjektiv gemeinten
Sinn nach, ein aktuell verständliches Handeln hineingehört.«143
Zur Erfassung dieser Sinnzusammenhänge bedient sich Weber des Begriffs des »Ideal-
typus«. Mit Hilfe konstruierter Typen von Sinnorientierungen und Gedankenbildern
soll in das Chaos sozialer Interaktion eine »denkende Ordnung der empirischen
Wirklichkeit«144 hineinprojiziert werden. Gewonnen werden die Idealtypen aus der
Beobachtung sozialer Wirklichkeit, und zwar durch »einseitige Steigerung eines oder eini-
ger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluß einer Fülle von [...] vorhandenen Ein-
zelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu
einem in sich einheitlichen Gednnkengebilde«.145 Die Idealtypen sind von Weber
allerdings nicht als Abbilder oder Substanz des Wirklichen, sondern als formales Instru-
ment der Erfassung von Sinnstrukturen der historischen Wirklichkeit gefasst.146 Sie sol-
len durch die Kategorie der »sinnhaft adäquaten Verursachung«147 zur kausalen Erklä-
rung von Sinnzusammenhängen beitragen.
Auch wenn Jaspers Weber mit Blick auf das Erklären nicht zu folgen scheint, hat
sich der Einfluss der Weber’schen Idealtypenlehre deutlich in seinem Werk niederge-
schlagen, wie im nächsten Abschnitt noch ausgeführt wird. Unterschiede ergeben sich
jedoch im Hinblick auf den Objektbereich: Während Weber seinen Blick auf soziokul-
turelle Phänomene und die darunter verborgenen Sinnzusammenhänge richtet, ver-

141 Ebd.; vgl. zum Begriff des »sozialen Handelns«: »Ueber einige Kategorien der verstehenden Sozio-
logie« [1913], 429-430.
142 M. Weber: »Soziologische Grundbegriffe« [1921], in: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre,
540-581, 542.
143 Ebd., 547.
144 Vgl. ders.: »Die >Objektivität< sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis«, 150.
145 Vgl. ebd., 191.
146 Vgl. ebd., 190.
147 Ders.: »Ueber einige Kategorien der verstehenden Soziologie«, 434.
 
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