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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0050
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Einleitung des Herausgebers

XLIX

über Webers anerkennende Bemerkungen über das Buch250 legen darüber hinaus die
Vermutung nahe, dass Jaspers mit seiner Weltanschauungspsychologie auf psycholo-
gischem Gebiet leisten wollte, was Max Weber mit seiner idealtypischen Ordnung des
kulturellen Lebens im Bereich der Soziologie geleistet hatte. So lässt sich Jaspers’ Welt-
anschauungspsychologie als eine nach Webers idealtypischer Ordnungslogik verfah-
rende Bestandsaufnahme philosophischer Psychologie charakterisieren, die die
menschlichen Deutungsschemata des Seienden unter drei Gesichtspunkten unter-
sucht: unter dem Gesichtspunkt lebensphilosophisch akzentuierter anthropologischer
Grundverfasstheiten und Dispositionen, dem Beleuchten der Sinn-, Bindungs- und Ver-
bindlichkeitskräfte geistiger »Gehäuse«, und drittens unter dem Gesichtspunkt des wer-
tenden Verhältnisses zu sich selbst und zur Welt.
14. Problem und Aufgabe einer -werkgeschichtlichen Verortung der
»Psychologie der Weltanschauungen«
In systematischer Hinsicht steht die Psychologie der Weltanschauungen mit diesem Pro-
gramm zwischen dem medizinischen Lehrbuch Allgemeine Psychopathologie von 1913
und den 1931 erschienenen Komplementärwerken Die geistige Situation der Zeit und Phi-
losophie.251 Von den medizinischen Schriften hebt sie sich ab, indem nicht mehr der
verstehende Zugang zur kranken Psyche im Zentrum steht, sondern allgemeine »ur-
sprüngliche Weltanschauungen« des gesunden Menschen unter charakterologischem,
d.h. unter dem Gesichtspunkt der Idee der Persönlichkeit. Zugleich ist die Psychologie
der Weltanschauungen den psychopathologischen Schriften in der Weise verwandt, als
sie den hermeneutischen Zugang der Verstehenden Psychologie mit ihnen teilt und
die verstehende Einfühlung zur impliziten Grundlage einer Erfahrungsevidenz erklärt.
Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass sich sowohl in den psychopathologi-
schen Texten als auch in der Psychologie der Weltanschauungen eine in späteren Schrif-
ten nur noch spärliche Bemühung um eine transparente Darstellung des methodischen
Zugangs und seiner epistemologischen Grundlagen sowie der Gegenstandsmodellie-
rung findet und dem Leser damit Einblicke in die sowohl der Weltanschauungspsycho-

250 In seinem Korrekturexemplar der 1. Auflage der Psychologie der Weltanschauungen vermerkte Jaspers
handschriftlich: »Als Max Weber zum letzten Mal von uns ging, April 1920, sagte er in der Däm-
merung an der Haustür zu mir: >Ihr Buch verleitet zum Blättern, ich habe noch nicht alles gele-
sen< (Selbstverständlich!). >Es hat sich sehr gelohnt< (Wahrhaftig?). >Es hat sich sehr gelohnt. - Ich
danke Ihnen für das Buch, ich danke Ihnen.< Pause. >Ich wünsche Ihnen weitere Produktivität. -
An anderer Stelle werde ich mich über das Buch noch äußern< (Vorher hatte er in gemeinsamem
Gespräch von zwei Zitaten in seinen letzten Werken erzählt, in denen ich genannt würde, und
warum)« (KJB Oldenburg: KJ 7782).
251 Im Dezember 1931 erschienen mit der verlagsseitigen Jahresangabe »1932«.
 
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