Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0051
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
L

Einleitung des Herausgebers

logie als auch dem späteren Konzept der Existenzerhellung zugrunde liegenden syste-
matischen Grundgedanken gewährt werden.
In der Jaspers-Forschung bilden sowohl die Bestimmung der Grundintention des
Werkes als auch die Nachzeichnung einer philosophischen Entwicklungslinie von der
Psychologie der Weltanschauungen zur Philosophie bislang weitgehend unbewältigte Desi-
derata. Ein Grund hierfür besteht darin, dass die Psychologie der Weltanschauungen gleich-
sam eine Insel innerhalb des Jaspers’schen CEuvres geblieben ist. Zwischen dem Buch
und dem systematischen Nachfolgewerk, der Philosophie, liegen nicht nur 12 Jahre,252
sondern auch die Ausarbeitung eines elaborierten existenzphilosophischen Konzepts,
das sich zwar auf die Beobachtungen des Werkes, insbesondere der antinomischen Ver-
fasstheit menschlicher Existenz stützt, aber den Boden psychologischer Darstellung wie
psychologischer Reflexion bewusst verlässt.
Die Verortung der Psychologie der Weltanschauungen in Jaspers’ Gesamtwerk wird
zudem dadurch erschwert, dass Jaspers sich bereits früh von seiner Arbeit distanzierte
und sein Denken seit der Berufung zum Philosophieprofessor 1922 eine grundlegende
Transformation durchlaufen hat. Jaspers suchte als Professor nicht nur nach einer
Selbstverortung im akademischen Betrieb, wie sein nach mehrjähriger Planung 1923
veröffentlichtes Bändchen Die Idee der Universität253 dokumentiert, sondern begann
erst mit seiner Berufung zum Philosophieprofessor, sein eigenes philosophisches Pro-
fil zu schärfen. Acht Jahre lang publizierte Jaspers keinen einzigen Text - ein selbst ver-
ordnetes Moratorium,254 dessen philosophische Entwicklungsschritte sich nur anhand
einer Analyse der Briefwechsel und des Nachlasses rekonstruieren lassen. Zudem sind
die systematischen Überlegungen, wie Jaspers sie in der Psychologie der Weltanschauun-
gen entfaltet, komplex und - insbesondere mit Blick auf den Ideenbegriff - verstreut.
Sie werden noch unter dem Gesichtspunkt einer psychologischen Darstellung von Ty-
pen entwickelt und wirken terminologisch bisweilen zu unausgereift, um nahtlos zu
seinen späteren Begrifflichkeiten in Relation gesetzt werden zu können.
Nicht zuletzt scheiterte eine klare Bestimmung der Stoßrichtung des Werkes auch
daran, dass keine zeit- und geistesgeschichtliche Kontextuierung des Buches vorge-
nommen wurde. Die Schrift wurde vornehmlich vor dem Hintergrund der späteren
existenzphilosophischen Texte gelesen, nicht als eigenständiges Werk mit eigener Pro-
grammatik.
Im Durchgang der bisherigen Erörterungen lassen sich die wesentlichen Anstöße
für Gegenstandswahl, Anlage, Methodik und Gestalt der Schrift rekonstruieren: Die

252 Zwischen 1919 und 1923 veröffentlichte Jaspers noch die Pathographie Strindberg und van Gogh
[1922] sowie Die Idee der Universität [1923] (vgl. KJG I/21), die Jaspers in seiner Philosophischen Au-
tobiographie als »Redaktionen« von Manuskripten beschreibt, die noch vor Antritt seines Ordina-
riats 1922 verfasst worden waren (vgl. ebd., 42).
253 Vgl. KJG I/21,1-68.
254 Vgl. K. Jaspers: Philosophische Autobiographie, 40-42.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften