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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0062
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Einleitung des Herausgebers LXI
daraus aus Jaspers’ Sicht fruchtbare Erkenntnisse, nämlich einerseits die Aufgabe ei-
ner nicht-prophetischen Philosophie und zweitens die Aufgabe einer Abgrenzung von
der empirisch forschenden Psychologie. Dabei sei allerdings der Sinn dessen, was sei-
ner Unterscheidung von Psychologie und prophetischer Philosophie zu Grunde lag,
der Sinn seines Philosophierens geblieben. In diesem Zusammenhang gesteht Jaspers
ein, dass seine »universale Betrachtung« keineswegs nur betrachtend, sondern darü-
ber hinaus »vergegenwärtigend«, »beschwörend« und »appellativ« war und sich an die
Freiheit des Menschen wenden wollte. Hiermit korrespondiert auch eine Aussage aus
seinem 1941 im italienischen Logos erschienenen Aufsatz »Über meine Philosophie«:
»Meine Psychologie hatte in weitem Umfang, mir unbewußt, den Charakter dessen
angenommen, was ich in der Folge >Existenzerhellung< nannte.«318 Diese enge Ver-
wandtschaft von Verstehender Psychologie und Existenzerhellung ist nicht nur unter
hermeneutischen Gesichtspunkten augenfällig, sondern findet ihren Ausdruck auch
in Jaspers’ retrospektiver Betrachtung der Zielsetzung seiner Weltanschauungspsycho-
logie im Vorwort zur 4. Auflage, nach der er nicht die Möglichkeit einer Wahl aus ei-
ner »Galerie von Weltanschauungen« in Aussicht stellen wollte, sondern eine »Verge-
wisserung der Möglichkeiten als eigener und die Erhellung des weiten Raumes, in dem
die existentiellen Entscheidungen fallen«.319
Auch den im Rückblick als existenzphilosophisch charakterisierten Impetus seines
Frühwerks benennt Jaspers in dem Vorwort von 1954: »[M]ein philosophischer Impuls
drängte im Kleide der Psychologie zum Ganzen. Ich wollte keine prophetische Philo-
sophie und hatte noch keinen Begriff jener anderen, heimlich schon gesuchten
Philosophie.«320 Diese vor dem Hintergrund der Anlage des Buches durchaus philoso-
phisch verklärt erscheinende Perspektive auf sein »Jugendwerk« war allerdings nicht
allein seiner Berufung zum Professor der Philosophie geschuldet. Seine Distanzierung
und Neuausrichtung kann auch als Reaktion auf die Rezensionen Heinrich Rickerts
und Martin Heideggers verstanden werden. Beide bildeten ein Korrektiv: Rickert in
dem Sinne, dass er Jaspers die methodischen, wertphilosophischen und systemati-
schen Unzulänglichkeiten seines Ansatzes zu erkennen gab - eine offene Flanke, die
er sich gegenüber dem Kollegen kaum dauerhaft leisten konnte -, Heidegger, indem
er die Inhalte des Buches auf eine besondere, im Folgenden noch zu erörternde Weise
akzentuierte.
Aufschlussreich ist mit Blick auf die Bedeutung der Psychologie der Weltanschauun-
gen für die Genese seines späteren existenzphilosophischen Konzepts vor allem eine
Bemerkungaus der Philosophischen Autobiographie. Dort schreibtjaspers: »Die Psycho-
logie der Weltanschauungen ist im historischen Rückblick die früheste Schrift der spä-

318 Ders.: »Über meine Philosophie«, 394.
319 Ders.: Psychologie der Weltanschauungen, 10.
320 Ebd.
 
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