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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0126
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Psychologie der Weltanschauungen

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Für die vorliegende Arbeit war Hegel von Einfluß, jedoch stammen die für eine
Psychologie der Weltanschauungen entscheidenden Lehren von folgenden Persön-
lichkeiten:
i. Kant ist durch seine Ideenlehre der Schöpfer des Gedankens, der dieser Weltan-
schauungspsychologie überall zugrunde liegt1).34 Etwas, das als das Ganze oder die Exi-
stenz gilt, das mit Worten wie Idee, Geist, Leben, Substanz bezeichnet wird, das uner-
wiesen und unerweislich ist, das jeder Formulierung spottet, da jede Formulierung
wieder rückgängig gemacht werden muß, das also nicht rationale Voraussetzung, nicht
logisches Prinzip, sondern ein unendlich bewegter Gedanke und zugleich mehr als Ge-
danke ist, dies ist der Grund und das Ziel, in das die rationalen Formulierungen dieses
Buches eingebettet sind. Darum sind diese Formulierungen nicht selbstgenügsam und
geschlossen, sondern irgendwie abhängig von einem außerlogischen Faktor.
| 2. Kierkegaard und Nietzsche, die für den oberflächlichen Betrachter bloß äu-
ßerste Gegensätze sind (z.B. der eine Christ, der andere Antichrist), haben in original-
ster Erfahrung die Problematik des Daseins erlebt und in einzigartigen Werken die Mög-
lichkeiten des Menschen so dargestellt, daß sie als die größten Psychologen der
Weltanschauungen anerkannt werden müssen. Im Besitze des unendlichen histori-
schen Horizontes, wie ihn Hegel und die deutsche Geschichtswissenschaft sichtbar
gemacht hatten, lebten beide in innerer Opposition gegen die Verführung, in diesem
Horizont betrachtend zufrieden zu sein; es kommt ihnen auf das Leben der gegenwär-
tigen Individualität, auf die »Existenz« an. In grenzenloser Selbstreflexion prüfen sie
jede Stellung, die sie in ihrem Innern erringen, erfassen die Problematik des Ich, die
Dialektik alles subjektiven Daseins. Dabei wird ihnen ganz von selbst die Frage der Echt-
heit des seelischen Lebens und Daseins zum Problem und die äußerste Bewegung, die
Unruhe des seelischen Daseins selbstverständlich. Beide sind Romantiker durch ihre
innere Bewegung, beide leidenschaftlich antiromantisch, weil die tatsächlichen Ge-
stalten dessen, was Romantik genannt wurde, fast immer unernste, artistische, epiku-
reische oder unfreie, gebundene Ableitungen waren. Beide waren auch in ihrer litera-
rischen Produktion gegen das System. Ihre Gedanken haben die Form des Aphorismus
und des Essays.
Was in Kierkegaard und Nietzsche mit der Vehemenz unmittelbarer Erfahrung
und heiligen Ernstes entsteht, hat sich im 19. Jahrhundert zugleich als eine literari-
sche Reflexion über Menschen und menschliche Dinge entwickelt. Sie fußt ursprüng-
lich auf der Romantik, dieser Verselbständigung der bloßen Geistigkeit, dann schöpft
sie aus der deutschen Philosophie, besonders aus Hegel (ferner aus Schelling: von
ihm sagte Frau von Stael,35 die Annahme der SCHELLiNGschen Philosophie verhelfe
einem dazu, für sein Leben lang geistreich zu sein),36 schließlich wird sie stark beein-
flußt von Nietzsche (nicht von Kierkegaard, da dieser dänisch geschrieben hatte,

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Über Kants Ideenlehre s. den Anhang.
 
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