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Psychologie der Weltanschauungen
macht alles zum Mittel, auch alle Inhalte, für etwas Inhaltloses. Es bleibt bloße Arbeit,
bloße Anstrengung ihrer selbst wegen.
Die inhaltlich bestimmte Aktivität erlebt den Konflikt zwischen Ideal und Wirklich-
keit in grundsätzlich anderer Weise: die formale Aktivität sucht im Strom des Gesche-
hens den Weg, der zur größten, aktivsten Wirklichkeit eigenen Seins führt, sei es wel-
cher Art auch. Die inhaltliche Aktivität fragt nach den Möglichkeiten zur Verwirklichung
ihrer Ziele und Ideen und geht den Weg der bestmöglichen, sei es auch noch so parti-
ellen Verwirklichung unter Anpassung, Mühe, Kompromiß. Bei der formalen Aktivität
gibt es den plötzlichen, immer wiederholten Übergang von der formalen Anstrengung
57 zum gänzlich fremden Genußbedürfnis aus Abspannung; | bei der inhaltlichen Aktivi-
tät lebt der Mensch dauernd in den Zielen, die seinem Gesamtdasein Inhalt und Sub-
stanz geben.
Wie das Kontemplative ein Medium der Aktivität ist, so erstreckt sich die aktive Einstellung
in die Sphären der Kontemplation. Während der Skeptiker nicht wählen will oder kann, ist z.B.
in dem Ja oder Nein zu den jeweils letzten Voraussetzungen der Erkenntnis eine Aktivität gege-
ben ebenso wie überhaupt in dem Suchen der Erkenntnis als einer Berufswahl gegenüber an-
dersartiger Aktivität. Im Psychologischen verbinden sich alle Einstellungen. Eine völlig scharfe
Trennung ist nur denkbar in den abstrakten und objektiven Sinngebilden, die in den Einstel-
lungen geschaffen werden.
Es sind also etwa das Aktive und Kontemplative nicht Gegensätze, die sich bekämpfen oder
aufheben müßten. Alle Einstellungen, die hier nacheinander beschrieben werden, sollen eine
Reihe positiver, substantieller Einstellungen der Seele sein. Zu jeder läßt sich aber rein negativ
ein Gegensatz bilden, der nicht mit einer anderen Einstellung positiver Art zusammenfällt; z.B.
zur aktiven Einstellung eine passive, zur kontemplativen eine blinde, zur rationalen eine irra-
tionale, zur mystischen eine amystische, zur enthusiastischen eine endliche, zur liebenden eine
liebelose, zur reflektierten eine unreflektierte, naive. All das Negative ist nichts durch sich,
darum nicht positiv charakterisierbar.
In der aktiven Einstellung ist die Welt der Wirklichkeit ergriffen. Im Gegensatz zu
dem Ernst dieser »praktischen« Aktivität steht die spielende Einstellung: Diese ist aktiv
im Vergleich zu den kontemplativen Einstellungen, sie ist zwar auf Wirklichkeiten ge-
richtet, aber nicht als Wirklichkeiten, sondern in einem imaginären Zusammenhang.
Sie vermag daher auch ohne alle Wirklichkeit im bloß inneren Spiel mit Phantasien
zu bestehen. Der Mensch ist ganz dabei im augenblicklichen Erleben, aber doch ganz
uninteressiert an den Wirklichkeiten und damit gar nicht beteiligt als Gesamtpersön-
lichkeit an den Inhalten, sondern nur als Erlebender an der Form des Erlebens: Der
Leichtigkeit, Ernstlosigkeit, Heiterkeit; trotz aller hohen Grade von Spannung, Erwar-
tung, Enttäuschung an der Ungezwungenheit, Verantwortungslosigkeit in der bloßen
Bewegtheit der Funktionen. Die spielende verhält sich zur aktiven Einstellung wie spä-
ter die ästhetische zur kontemplativen Einstellung: Sie isoliert und unterbricht die Be-
ziehungen zum Ganzen der Existenz. In den undifferenzierten Gestalten ist das Spiel
Psychologie der Weltanschauungen
macht alles zum Mittel, auch alle Inhalte, für etwas Inhaltloses. Es bleibt bloße Arbeit,
bloße Anstrengung ihrer selbst wegen.
Die inhaltlich bestimmte Aktivität erlebt den Konflikt zwischen Ideal und Wirklich-
keit in grundsätzlich anderer Weise: die formale Aktivität sucht im Strom des Gesche-
hens den Weg, der zur größten, aktivsten Wirklichkeit eigenen Seins führt, sei es wel-
cher Art auch. Die inhaltliche Aktivität fragt nach den Möglichkeiten zur Verwirklichung
ihrer Ziele und Ideen und geht den Weg der bestmöglichen, sei es auch noch so parti-
ellen Verwirklichung unter Anpassung, Mühe, Kompromiß. Bei der formalen Aktivität
gibt es den plötzlichen, immer wiederholten Übergang von der formalen Anstrengung
57 zum gänzlich fremden Genußbedürfnis aus Abspannung; | bei der inhaltlichen Aktivi-
tät lebt der Mensch dauernd in den Zielen, die seinem Gesamtdasein Inhalt und Sub-
stanz geben.
Wie das Kontemplative ein Medium der Aktivität ist, so erstreckt sich die aktive Einstellung
in die Sphären der Kontemplation. Während der Skeptiker nicht wählen will oder kann, ist z.B.
in dem Ja oder Nein zu den jeweils letzten Voraussetzungen der Erkenntnis eine Aktivität gege-
ben ebenso wie überhaupt in dem Suchen der Erkenntnis als einer Berufswahl gegenüber an-
dersartiger Aktivität. Im Psychologischen verbinden sich alle Einstellungen. Eine völlig scharfe
Trennung ist nur denkbar in den abstrakten und objektiven Sinngebilden, die in den Einstel-
lungen geschaffen werden.
Es sind also etwa das Aktive und Kontemplative nicht Gegensätze, die sich bekämpfen oder
aufheben müßten. Alle Einstellungen, die hier nacheinander beschrieben werden, sollen eine
Reihe positiver, substantieller Einstellungen der Seele sein. Zu jeder läßt sich aber rein negativ
ein Gegensatz bilden, der nicht mit einer anderen Einstellung positiver Art zusammenfällt; z.B.
zur aktiven Einstellung eine passive, zur kontemplativen eine blinde, zur rationalen eine irra-
tionale, zur mystischen eine amystische, zur enthusiastischen eine endliche, zur liebenden eine
liebelose, zur reflektierten eine unreflektierte, naive. All das Negative ist nichts durch sich,
darum nicht positiv charakterisierbar.
In der aktiven Einstellung ist die Welt der Wirklichkeit ergriffen. Im Gegensatz zu
dem Ernst dieser »praktischen« Aktivität steht die spielende Einstellung: Diese ist aktiv
im Vergleich zu den kontemplativen Einstellungen, sie ist zwar auf Wirklichkeiten ge-
richtet, aber nicht als Wirklichkeiten, sondern in einem imaginären Zusammenhang.
Sie vermag daher auch ohne alle Wirklichkeit im bloß inneren Spiel mit Phantasien
zu bestehen. Der Mensch ist ganz dabei im augenblicklichen Erleben, aber doch ganz
uninteressiert an den Wirklichkeiten und damit gar nicht beteiligt als Gesamtpersön-
lichkeit an den Inhalten, sondern nur als Erlebender an der Form des Erlebens: Der
Leichtigkeit, Ernstlosigkeit, Heiterkeit; trotz aller hohen Grade von Spannung, Erwar-
tung, Enttäuschung an der Ungezwungenheit, Verantwortungslosigkeit in der bloßen
Bewegtheit der Funktionen. Die spielende verhält sich zur aktiven Einstellung wie spä-
ter die ästhetische zur kontemplativen Einstellung: Sie isoliert und unterbricht die Be-
ziehungen zum Ganzen der Existenz. In den undifferenzierten Gestalten ist das Spiel