Psychologie der Weltanschauungen
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sinnlichen Anschauungen seien gar keine Anschauungen. Einzelne mögliche Einwände ge-
gen das anschauliche oder intuitive Wesen nicht sinnlicher Inhalte sind folgende:
a) »Es handelt sich letzthin überall nur um Sinnesanschauung.«75 Daran ist richtig,
daß sich alle »Realität« nur in der Sinnesanschauung erweist, daß sogar Seelisches als
Wirklichkeit allein durch sinnliche Äußerungen hindurch gesehen wird. Darüber hin-
aus besteht jedoch die Tatsache, daß das Sehen der sinnlichen Realität nicht auch die
anderen Realitäten ohne weiteres mitsehen läßt, ja daß eine gewaltige Blindheit eine
Eigenschaft unser aller ist, wo es sich um das Sehen über die unmittelbare Sinneswelt
hinaus handelt.
b) »Es handelt sich nicht um Anschauung oder Intuition, sondern um die >Schöp-
ferkraft der Phantasie^ die nur Beziehungen zwischen sinnlichen Anschaulichkeiten
herstellt.« - Es ist nicht zu leugnen, daß bei aller Anschauung eine Seite vorhanden ist,
die wir »schöpferisch« nennen. Ausführungen, die das beschreiben, sind darum tref-
fend, aber sie sagen nichts gegen den anschaulichen, »sehbaren« Charakter aller die-
ser Schöpfungen, nichts gegen die Eigengesetzlichkeit der geschauten Inhalte.
c) »Es handelt sich nirgends um neue, aufgebaute Anschauungen, sondern bloß
um >Gefühle<, die vielleicht die ersten Bewußtseinssymptome neuer Sinnesanschau-
ungen, oder subjektive Stimmungsfärbungen von diesen oder Bewußtseinssymptome
von Assoziationen solcher sind.« - Dagegen ist zu sagen, daß es sich mit der Behaup-
tung der Anschaulichkeit nicht um genetische Erklärung, sondern um Feststellung des
Gegebenen handelt und vor allem, daß »Gefühl« ein Begriff ist, der gar keinen positi-
ven, sondern nur einen negativen Inhalt hat: Alles was nicht Empfindung oder logi-
sche Form ist, nennt man Gefühl. Dadurch hat man das Recht sich erworben, mit ei-
nem Worte, das gar keinen positiven Begriff bezeichnet, etwas zu klassifizieren. Damit
würde ferner der gegenständliche Charakter der Inhalte dieser Anschauungen geleug-
net entgegen dem klarsten phänomenologischen Tatbestand.
d) Man hat vielfach das unbemerkte Vorurteil, Anschauungsinhalte müßten ihrem
Wesen nach klar und deutlich sein, so klar und | deutlich wie ein vom Auge gesehener
Gegenstand. Sieht man dann, wie unklar, unfaßbar, überströmend von Fülle und doch
ohne alle begrenzbare Einzelheit Ideen sein können, so leugnet man darum ihre An-
schaulichkeit; während doch manche dieser Anschauungen etwa dem Anblick der
Sonne zu vergleichen wären. Im einzelnen faßbar und objektiv beschreibbar ist bei den
Ideen darum auch nicht die Einstellung auf sie im Schauen, sondern vielmehr die
Kraft, die diese Einstellung im Leben der Seele hat. Diese Kräfte sind im Kapitel über
das Leben des Geistes zu beschreiben, hier handelt es sich zunächst nur um die Erleb-
nisse und Einstellungen, die Symptome jener Kräfte sein können.
e) »Was als Typen, Ideen u.dgl. vermeintlich gesehen wird, das sind doch mehr oder
weniger präzise Allgemeinbegriffe, Abstraktionen aus häufiger Erfahrung des bloß
Sinnlichen, Gattungsbegriffe, unter die der Einzelfall subsumiert wird.« - Dieser Ein-
wand wird wohl dadurch gestützt, daß Platon das Sehen von Ideen mit dem Denken
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sinnlichen Anschauungen seien gar keine Anschauungen. Einzelne mögliche Einwände ge-
gen das anschauliche oder intuitive Wesen nicht sinnlicher Inhalte sind folgende:
a) »Es handelt sich letzthin überall nur um Sinnesanschauung.«75 Daran ist richtig,
daß sich alle »Realität« nur in der Sinnesanschauung erweist, daß sogar Seelisches als
Wirklichkeit allein durch sinnliche Äußerungen hindurch gesehen wird. Darüber hin-
aus besteht jedoch die Tatsache, daß das Sehen der sinnlichen Realität nicht auch die
anderen Realitäten ohne weiteres mitsehen läßt, ja daß eine gewaltige Blindheit eine
Eigenschaft unser aller ist, wo es sich um das Sehen über die unmittelbare Sinneswelt
hinaus handelt.
b) »Es handelt sich nicht um Anschauung oder Intuition, sondern um die >Schöp-
ferkraft der Phantasie^ die nur Beziehungen zwischen sinnlichen Anschaulichkeiten
herstellt.« - Es ist nicht zu leugnen, daß bei aller Anschauung eine Seite vorhanden ist,
die wir »schöpferisch« nennen. Ausführungen, die das beschreiben, sind darum tref-
fend, aber sie sagen nichts gegen den anschaulichen, »sehbaren« Charakter aller die-
ser Schöpfungen, nichts gegen die Eigengesetzlichkeit der geschauten Inhalte.
c) »Es handelt sich nirgends um neue, aufgebaute Anschauungen, sondern bloß
um >Gefühle<, die vielleicht die ersten Bewußtseinssymptome neuer Sinnesanschau-
ungen, oder subjektive Stimmungsfärbungen von diesen oder Bewußtseinssymptome
von Assoziationen solcher sind.« - Dagegen ist zu sagen, daß es sich mit der Behaup-
tung der Anschaulichkeit nicht um genetische Erklärung, sondern um Feststellung des
Gegebenen handelt und vor allem, daß »Gefühl« ein Begriff ist, der gar keinen positi-
ven, sondern nur einen negativen Inhalt hat: Alles was nicht Empfindung oder logi-
sche Form ist, nennt man Gefühl. Dadurch hat man das Recht sich erworben, mit ei-
nem Worte, das gar keinen positiven Begriff bezeichnet, etwas zu klassifizieren. Damit
würde ferner der gegenständliche Charakter der Inhalte dieser Anschauungen geleug-
net entgegen dem klarsten phänomenologischen Tatbestand.
d) Man hat vielfach das unbemerkte Vorurteil, Anschauungsinhalte müßten ihrem
Wesen nach klar und deutlich sein, so klar und | deutlich wie ein vom Auge gesehener
Gegenstand. Sieht man dann, wie unklar, unfaßbar, überströmend von Fülle und doch
ohne alle begrenzbare Einzelheit Ideen sein können, so leugnet man darum ihre An-
schaulichkeit; während doch manche dieser Anschauungen etwa dem Anblick der
Sonne zu vergleichen wären. Im einzelnen faßbar und objektiv beschreibbar ist bei den
Ideen darum auch nicht die Einstellung auf sie im Schauen, sondern vielmehr die
Kraft, die diese Einstellung im Leben der Seele hat. Diese Kräfte sind im Kapitel über
das Leben des Geistes zu beschreiben, hier handelt es sich zunächst nur um die Erleb-
nisse und Einstellungen, die Symptome jener Kräfte sein können.
e) »Was als Typen, Ideen u.dgl. vermeintlich gesehen wird, das sind doch mehr oder
weniger präzise Allgemeinbegriffe, Abstraktionen aus häufiger Erfahrung des bloß
Sinnlichen, Gattungsbegriffe, unter die der Einzelfall subsumiert wird.« - Dieser Ein-
wand wird wohl dadurch gestützt, daß Platon das Sehen von Ideen mit dem Denken
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