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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0246
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Psychologie der Weltanschauungen

153

Weltanschau|ung gewinnen, aus einer Logik der Werte, die immer ihrem Wesen nach 153
eine solche der Wertakzente ist, entspringt keine Weltanschauung; sie vermag kein er-
fülltes Weltbild zu schaffen.
Zum Schluß seien einige Bemerkungen über die Quellen gemacht, durch die wir zur Anschau-
ung von Weltbildern kommen.
1. Bei hervorragenden Persönlichkeiten haben Biographien die Aufgabe erfüllt, mit dem Men-
schen die Welt zu zeigen, in der der Mensch lebte, die er sah, von der er Wirkungen empfing
und an die er solche zurückgab. Manche Biographien haben geradezu den Charakter, uns im
Medium einer Persönlichkeit ein Weltbild zu zeigen (z.B. Justi, Winckelmann; Dilthey, Schlei-
ermacher). Sie zeigen uns den Menschen, indem sie uns zeigen, welche Welt in seinem Kopfe
lebte - eine Methode, die gerade bei weniger ausgesprochenen, mehr rezeptiven und kontem-
plativen Persönlichkeiten die anschaulichste ist, bei Persönlichkeiten, deren Bedeutung im Zu-
sammenfassen, Zusammensehen, Resümieren, Vermitteln, Ordnen, im Repräsentativen für eine
Welt liegt.
2. Die Hauptsache ist, neben diesem Studium des Weltbildes einzelner Menschen, sich in alle
Richtungen der Weltbilder an der Hand typischer Gestalten und Werke hineinzuarbeiten. Die Wis-
senschaften, nicht nur wie sie gerade im Augenblick sind, sondern wie sie als Ausdruck gegen-
ständlichen Sehens, also als Ausdruck von Weltbildern, einmal waren, sofern darin etwas Typi-
sches und Notwendiges fühlbar ist, werden dabei Stoff und Mittel. Wir gerieten aber ins Endlose
bei dem Versuch, uns typische Weltbilder anschaulich zu machen, wenn wir sie etwa im Detail
schildern wollten: Eine Enzyklopädie des Wissens müßte entstehen. Statt dessen kommt es auf
die Anschauung des psychologisch Wirksamen, des Spezifischen und Eigentümlichen der Welt-
bilder an, also auf das Generelle an ihnen und auf das subjektiv Belangreiche. Wie wir in der
Wahrnehmungspsychologie nicht etwa Käfer und Schmetterlinge beschreiben, sondern uns
mit optischen, akustischen Wahrnehmungen, mit Qualitäten, Intensitäten, mit Wahrnehmung
von Bewegung, Räumlichkeit, Zeitlichkeit beschäftigen, so in der verstehenden Psychologie der
Weltbilder nicht etwa mit dem Chaos oder mit dem System gedachter Begriffe überhaupt, son-
dern mit den psychologisch belangreichen Begriffsrichtungen. Gegenständliche und psycholo-
gische Forschung erstreben hier wie sonst ganz verschiedene Anschauungen, sie setzen ganz
verschiedene Wichtigkeitsakzente. Aber die psychologische Betrachtung ist die sekundäre, die
alle anderen als Material voraussetzt. Im Zentrum steht dabei für uns immer die Idee der
menschlichen Persönlichkeit, deren Gehäuse diese Weltbilder sind.
3. Die Anschauung und der Vergleich der historischen Gestalten des Weltbildes geben einen
großartigen Blick auf die Möglichkeiten, wie er zu entstehen pflegt, wenn man von der einzel-
nen Persönlichkeit fort auf das Ganze von Völkern, Zeitaltern, Zuständen sich wendet. Diesem
überschauenden Blicke sind die historischen Folgen der Weltbilder in konstruktiver Gestalt auf-
gegangen, wie sie z.B. Hegel in den historischen Teilen seiner Werke, ferner für die Ästhetik (als
Gestalten der Phantasie) besonders Weisse16-* und Fr. Th. Vischer166 geschildert haben.
| A. Das sinnlich-räumliche Weltbild. 154
Stehen wir als Betrachtende dem Seelenleben des Einzelnen gegenüber und bewegen
uns dabei selbst im Medium unseres sinnlich-räumlichen Weltbildes, so sehen wir je-
des Seelenleben in einem Leibe umgeben von einer Raumwelt. Vergleichen wir das,
 
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