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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0285
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Psychologie der Weltanschauungen

theosophischen Konstruktionen derer, die dieses Dämonische als Stoff benutzen, es
suchen, sich erbauen und sich gruseln, danach lüstern sind, und es zum Gegenstand
machen, statt als Grenze hinzunehmen.
2. Gegenüber dem mythisch-dämonischen Weltbild ist das philosophische Welt-
bild durch folgendes charakterisiert: Es beruht nicht auf Autorität, auf bloßem Hin-
nehmen und Glauben, auf dem Sicherzählenlassen; vielmehr appelliert es an das ei-
gene, in originaler Erfahrung gewonnene Schauen des Menschen überhaupt; es beruht
nicht auf Offenbarung, nicht auf spezifischen Erfahrungen in besonderen Bewußt-
seinszuständen, sondern will in Begründungszusammenhängen eine überall im Men-
schen autonome Evidenz in Anspruch nehmen. Es ist gedanklich im Gegensatz zum
bloßen Symbol, sei dieses Realsymbol oder Kunstsymbol, es ist gedacht, nicht gebil-
det; es ist darum auch nicht als Bild, sondern nur durch das Medium des Denkens zu-
gänglich.
Versuchen wir eine Typologie der philosophischen Weltbilder, so ist erstens eine
objektive Typologie möglich nach der Frage: Was für den Menschen in der Sphäre des
Absoluten stehen kann, was ihm das Ganze ist; und zweitens eine subjektive Typologie,
die die philosophischen Denktypen zu entwickeln hätte. Den Typen des Absoluten ste-
hen die Typen der philosophisch Denkenden gegenüber. Daß letzthin beide nicht als
solche, sondern als Ausdruck der Kräfte, die als Geistestypen zu betrachten sind, exi-
stieren, ist genügend wiederholt. Sie werden hier in der Isolierung charakterisiert.
Zunächst sollen die inhaltlichen Typen geschildert werden:
a) Die Verabsolutierung der einzelnen konkreten Weltbilder. Diese ist früher als Mecha-
nismus, Naturalismus, Psychologismus, Historismus gekennzeichnet worden. Die Ver-
199 absolutierung | eines spezifischen Weltbildes zum Ganzen geschah oft und geschieht
immer wieder, sie scheint eine unvermeidliche Notwendigkeit für den, der in einem
solchen Weltbild vorwiegend oder ausschließend lebt und nun vom philosophischen
Trieb zum Absoluten und zum Ganzen erfaßt wird. Man kann alle diese Verabsolutie-
rung unter zwei umfassende Typen bringen: Die eine der beiden Welten, die sinnlich-
räumliche oder seelisch-kulturelle, wird verabsolutiert, und es entsteht entweder der
Materialismus oder der Spiritualismus, beide im weitesten Sinn verstanden, unter den
viele besondere Arten fallen. Die eine totalisierende Weltanschauung geht vom Ob-
jekt aus (Materialismus), die andere vom Subjekt (Spiritualismus). In beiden Fällen
handelt es sich nicht um spezifisch-metaphysische Weltbilder, da bloße isolierende
Verabsolutierung der schon geschilderten Weltbilder vorliegt. In beiden Fällen han-
delt es sich um Loslösung von der Erfahrung und um Konstruktion des bloßen Den-
kens ins Leere hinein. Trotz des Gegensatzes sind alle diese Typen der Form des Geistes
nach nahe verwandt. Der Inhalt mag noch so heterogen sein, es ist überall derselbe
Denktypus. Sie können sich daher gegenseitig verstehen und bekämpfen, sie können
sich für einander interessieren. In der Psychiatrie z.B. finden sich leicht im selben Kopf
 
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