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Psychologie der Weltanschauungen
klarsten für die prinzipielle Erörterung ist, zumal wir alle Weltanschauung doch nur
da erfassen, wo sie auch rationale Form gefunden hat. Auf rationalem Wege suchen wir
immer zu den Kräften zu kommen, die dann Prinzipien heißen. Von hier aus versu-
chen wir unsere Charakteristik des Lebensprozesses als Synthese von Chaos und Form
deutlicher zu gewinnen.
2. Alle lebendigen Geistestypen haben etwas Gemeinsames in der Art der Beziehung
von Persönlichkeit und Objektivität. Beide, das Subjekt und die objektive Welt, sind un-
endlich: die Unendlichkeit des geistigen Individuums und die objektive unendliche
Welt. Der Halt liegt nun auf keiner der Seiten, sondern in beiden. So sehr sich immer
wieder der Halt auf die eine Seite verschiebt, so sehr auch dieser Wesenszug des Gei-
stes Idee und Bewegung, nicht ruhender Besitz ist, es wird im Leben des Geistes die
eine Seite durch die andere, es werden oft beide, Subjekt und Objekt, als identisch auf-
gefaßt. Das Ganze ist letzthin weder Persönlichkeit noch Objektwelt, sondern ein Gan-
zes, das man den »Geist« nennt (mag dieser nun auch je nach dem philosophischen
Weltbild als Leben, Natur, Wille, Kraft einseitig veranschaulicht werden). Der Lebens-
prozeß des Geistes ist dies Eigentümliche, daß immer Subjekt und Objekt sich gespal-
ten gegenüberstehen, und daß doch alle Lebendigkeit auf Einigung von Persönlich-
keit und Objektivität abzielt. Was tatsächlich als Rätsel und als das Selbstverständliche
erfahren wird, daß die Persönlichkeit allgemein wird und daß das Allgemeine in Ge-
stalt von Persönlichkeiten erscheint, das ist die Idee der Richtung, in der in fortwäh-
rendem Kampfe der lebendige Geist sich bewegt').
348 | Der einzelne Typus spaltet sich immer wieder in »Persönlichkeit« einerseits und
»Objekt« andererseits, und jedesmal entstehen mit der Spaltung wieder die polaren Ge-
gensätze: Halt im Subjektiven oder im Objektiven. Sofern nicht ein Rückfall in die blo-
ßen Gehäuse - wie häufig und notwendig - stattfindet, haben aber auch die gegensätz-
lich gespaltenen Typen doch noch die Gestalt, angesichts der Unendlichkeit in Freiheit
i Man kann endgültig das menschliche Individuum als sinnlich-räumliches Phänomen von der ob-
jektiven Welt abtrennen, die Persönlichkeit von den Geltungen der »absoluten« Werte. Man
kann - wenn diese Trennungen festgehalten, vom Menschen als wirkliche, als endgültige in sein
Leben transponiert werden - erfahren, wie der Mensch gleichsam von unten durch die Naturkau-
salität, von oben durch diese unpersönlichen, überpersönlichen Geltungen des Allgemeinen wie
zwischen zwei Mühlsteinen zerrieben wird und nichtig ist. Man kann dann einen Begriff des Psy-
chischen entwickeln, der ebenso nichtig ist und die Psychologie zu einer nichtigen Wissenschaft
macht. Hier an dieser Stelle der gedanklichen Auffassung muß die psychologische Betrachtung
mit aller Deutlichkeit zeigen und sich eingestehen, daß sie Begriffe bildet, die als Begriffe von
Geistestypen Gestalten zu umfassen versuchen, die die Subjekt-Objektspaltung einschließen, die
Bewegungen zwischen Subjekt und Objekt sind, die zugleich über beide hinaus, der ganzen Spal-
tung zugrunde liegend sind. Von metaphysischer Betrachtung unterscheidet sich diese, die so
348 leicht ins Metaphysische ver| fällt, dadurch, daß sie in der Anschauung des faktisch Erfahrenen
und Erfahrbaren bleibt und nur als Ideen, als Richtungen zeigt, was wirklich für die psychologi-
sche Betrachtung nur im Leben von »Persönlichkeiten« ist, wenn wir dieses Wort in dem umfas-
senden, die Objektivität mit einschließendem Sinne brauchen.
Psychologie der Weltanschauungen
klarsten für die prinzipielle Erörterung ist, zumal wir alle Weltanschauung doch nur
da erfassen, wo sie auch rationale Form gefunden hat. Auf rationalem Wege suchen wir
immer zu den Kräften zu kommen, die dann Prinzipien heißen. Von hier aus versu-
chen wir unsere Charakteristik des Lebensprozesses als Synthese von Chaos und Form
deutlicher zu gewinnen.
2. Alle lebendigen Geistestypen haben etwas Gemeinsames in der Art der Beziehung
von Persönlichkeit und Objektivität. Beide, das Subjekt und die objektive Welt, sind un-
endlich: die Unendlichkeit des geistigen Individuums und die objektive unendliche
Welt. Der Halt liegt nun auf keiner der Seiten, sondern in beiden. So sehr sich immer
wieder der Halt auf die eine Seite verschiebt, so sehr auch dieser Wesenszug des Gei-
stes Idee und Bewegung, nicht ruhender Besitz ist, es wird im Leben des Geistes die
eine Seite durch die andere, es werden oft beide, Subjekt und Objekt, als identisch auf-
gefaßt. Das Ganze ist letzthin weder Persönlichkeit noch Objektwelt, sondern ein Gan-
zes, das man den »Geist« nennt (mag dieser nun auch je nach dem philosophischen
Weltbild als Leben, Natur, Wille, Kraft einseitig veranschaulicht werden). Der Lebens-
prozeß des Geistes ist dies Eigentümliche, daß immer Subjekt und Objekt sich gespal-
ten gegenüberstehen, und daß doch alle Lebendigkeit auf Einigung von Persönlich-
keit und Objektivität abzielt. Was tatsächlich als Rätsel und als das Selbstverständliche
erfahren wird, daß die Persönlichkeit allgemein wird und daß das Allgemeine in Ge-
stalt von Persönlichkeiten erscheint, das ist die Idee der Richtung, in der in fortwäh-
rendem Kampfe der lebendige Geist sich bewegt').
348 | Der einzelne Typus spaltet sich immer wieder in »Persönlichkeit« einerseits und
»Objekt« andererseits, und jedesmal entstehen mit der Spaltung wieder die polaren Ge-
gensätze: Halt im Subjektiven oder im Objektiven. Sofern nicht ein Rückfall in die blo-
ßen Gehäuse - wie häufig und notwendig - stattfindet, haben aber auch die gegensätz-
lich gespaltenen Typen doch noch die Gestalt, angesichts der Unendlichkeit in Freiheit
i Man kann endgültig das menschliche Individuum als sinnlich-räumliches Phänomen von der ob-
jektiven Welt abtrennen, die Persönlichkeit von den Geltungen der »absoluten« Werte. Man
kann - wenn diese Trennungen festgehalten, vom Menschen als wirkliche, als endgültige in sein
Leben transponiert werden - erfahren, wie der Mensch gleichsam von unten durch die Naturkau-
salität, von oben durch diese unpersönlichen, überpersönlichen Geltungen des Allgemeinen wie
zwischen zwei Mühlsteinen zerrieben wird und nichtig ist. Man kann dann einen Begriff des Psy-
chischen entwickeln, der ebenso nichtig ist und die Psychologie zu einer nichtigen Wissenschaft
macht. Hier an dieser Stelle der gedanklichen Auffassung muß die psychologische Betrachtung
mit aller Deutlichkeit zeigen und sich eingestehen, daß sie Begriffe bildet, die als Begriffe von
Geistestypen Gestalten zu umfassen versuchen, die die Subjekt-Objektspaltung einschließen, die
Bewegungen zwischen Subjekt und Objekt sind, die zugleich über beide hinaus, der ganzen Spal-
tung zugrunde liegend sind. Von metaphysischer Betrachtung unterscheidet sich diese, die so
348 leicht ins Metaphysische ver| fällt, dadurch, daß sie in der Anschauung des faktisch Erfahrenen
und Erfahrbaren bleibt und nur als Ideen, als Richtungen zeigt, was wirklich für die psychologi-
sche Betrachtung nur im Leben von »Persönlichkeiten« ist, wenn wir dieses Wort in dem umfas-
senden, die Objektivität mit einschließendem Sinne brauchen.