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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0487
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Psychologie der Weltanschauungen

ihm das Leben ernst macht... Wer wohl über manchem anderen, über allerlei Großem und Lär-
mendem, aber nicht über sich selbst ernsthaft wurde, ist trotz all seinem Ernst ein Spaßvogel...
Wenn man nun das Dämonische recht studieren will, so darf man nur darauf sehen, wie das
Ewige in der Individualität aufgefaßt wird ... Man leugnet das Ewige im Menschen; man faßt
das Ewige durchaus abstrakt auf; man zieht das Ewige phantastisch in die Zeit hinein; man
faßt die Ewigkeit metaphysisch auf ...«In allen Fällen »will man die Ewigkeit nicht ernsthaft
denken; man hat Angst vor ihr, und die Angst verfällt auf hundert Ausflüchte. Doch das ist
eben das Dämonische«.603
II. Der Geist nach der Art seiner wesentlichen Realität.
Chaos und Form einerseits, Individuum und Allgemeines andererseits waren die Ge-
gensätze zwischen denen das Leben steht, das aufhört, Leben zu sein, wenn es einer
Seite der Gegensätze restlos verfällt. Wenn nun der Versuch gemacht wird, die leben-
digen Gestalten selbst direkter - wenn auch faktisch immer indirekt - zu erfassen, so
wird bei jeder Gestalt zu bedenken sein, daß sich Reihen unlebendiger Ableitungen
anschließen, die entstehen, wenn das Leben von jenem schmalen Grate in die einzel-
nen Seiten der Gegensätze rückt.
Nach der Art der Wirklichkeit, die wesentlich und beherrschend wird, lassen sich
im dämonischen Leben der Realist, der Romantiker und der Heilige unterscheiden.
i. Der Realist.
Der Realismus sieht Gestaltung in der räumlich-zeitlichen Wirklichkeit als entschei-
dend an. Ihm gilt: »Was fruchtbar ist allein ist wahr.«604 Der »Erfolg« ist nicht gleich-
gültig, sondern auf ihn kommt es an. Ohne Wirklichkeit ist kein Wert. Erleben, Erden-
ken, Plan und Hoffnung ist noch nichts, auf Verwirklichung kommt es an. Dem
Realisten ist es wichtiger, die kleinste Aufgabe zu erfüllen, das geringste Werkartige
433 nach außen zu setzen, als das Leben lang zu | diskutieren, Prinzipien zu entwickeln,
zu begründen, in Konsequenzen zu verfolgen. Übernommene Aufgaben werden
durchgeführt, da an Durchführungen das Würdegefühl des Realisten haftet. Aktive
Einstellung beherrscht ihn und treibt ihn zu Objektivierungen im Handeln, im Lei-
sten, im Hinsetzen von Werken der Dichtung, Philosophie und Wissenschaft: lieber
das Kleinste tun, als das Ganze genießen.
Der lebendige Realismus des dämonischen Typus hat alle konkreten Weltbilder, das
Anschauliche ist ihm eigen. Die Weltbilder gelten ihm nur, soweit sie im Sinnlich-Räum-
lichen immanent geworden sind und Gestalt gewonnen haben. Hier ist ihm das Abso-
lute gegenwärtig, leibhaftig da. Aber dies Weltbild ist kein totes, die Wirklichkeit des
Sinnlich-Räumlichen keine endgültige; im Gegenteil, alle Wirklichkeit kann umgestal-
tet werden. Was Wirklichkeit ist und wird, hängt von seinem Willen ab. Darum ist die
Wirklichkeit nicht etwas Lastendes, endgültig Hinzunehmendes, sondern auch und vor
 
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