Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0512
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Psychologie der Weltanschauungen

419

weiter wird es faktisch zum Ideal einer genießenden Kontemplation, einer Befriedi-
gung aller Begierden; es entsteht ein Leben, in dem chaotisch ungewöhnliche Hand-
lungen mit übersinnlicher Deutung sich zusammenfinden mit einer Einstellung, sich
in der Wirklichkeit möglichst überall zu drücken. Man lebt, aber verneint die materi-
ellen Bedingungen seiner Existenz. Man findet je nach Fall beliebige »Rechtfertigun-
gen«, da man im Grunde ja keine braucht. Man will auf den Genuß der Sexualität nicht
verzichten, aber sorgt, daß es verantwortungslos bleibe. Man ist bescheiden und
gleichgültig, aber macht doch faktisch Anspruch auf Anerkennung, Wirkung und
nutztunbemerkt gern zur Befriedigung der endlichen Bedürfnisse, die der Mensch nun
einmal hat, Gelegenheiten und Beziehungen aus in der Welt und bei Menschen, | die
man zugleich verneint. - Demgegenüber will der ideenhafte Mensch Bewegung in die-
ser Welt, die er als Totalität bejaht, indem er im einzelnen anpackt, wo er verneint.
Nichts was wirklich geworden ist, kann ihm das Letzte sein. Er kennt nicht das Ideal
der Ruhe und des Reiches Gottes auf Erden, sondern er hat das Ideal des dämonischen
Prozesses, während er wollend immer nur ein bestimmtes Endliches vor sich hat. Dar-
aus wird leicht eine Bewegung um jeden Preis, ein bloßes Verändernwollen, ein Zer-
stören ohne bestimmten Sinn, nur damit keine Ruhe entstehe. Es wird unter Vernei-
nung gerade des eigentlich Ideenhaften daraus wohl ein direktes Wollen des
Dämonischen, das zu chaotischem Genietreiben und großen Gesten führt.

462
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften