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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0523
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430

Kants Ideenlehre

vernünftigen Ursache, deren Kausalität (in Herbeischaffung und Verbindung der Teile)
durch innere Idee von einem dadurch möglichen Ganzen ... bestimmt wird.
168 | Soll aber ein Ding, als Naturprodukt, in sich selbst und seiner inneren Möglich-
keit doch eine Beziehung auf Zwecke enthalten, d.i. nur als Naturzweck und ohne die
Kausalität der Begriffe von vernünftigen Wesen außer ihm möglich sein, so wird zwei-
tens dazu erfordert, daß die Teile desselben sich dadurch zur Einheit eines Ganzen ver-
binden, daß sie voneinander wechselseitig Ursache und Wirkung ihrer Form sind.
Denn auf solche Weise ist es allein möglich, daß umgekehrt (wechselseitig) die Idee
des Ganzen wiederum die Form und Verbindung aller Teile bestimme: nicht als Ursa-
che - denn da wäre es ein Kunstprodukt -, sondern als Erkenntnisgrund der systema-
tischen Einheit der Form und Verbindung alles Mannigfaltigen ...
In einem solchen Produkte der Natur wird ein jeder Teil, so wie er nur durch alle üb-
rigen da ist, auch als um der anderen und des Ganzen willen existierend, d.i. als Werkzeug
(Organ) gedacht...; und nur dann und darum wird ein solches Produkt, als organisiertes
und sich selbstorganisierendes Wesen, ein Naturzweck genannt werden können ...
Ein organisiertes Wesen ist also nicht bloß Maschine, denn die hat lediglich bewe-
gende Kraft, sondern besitzt in sich bildende Kraft...«').637 -
Die Idee der Seele ist das Ganze der im Subjekt zentrierten Erfahrung. »Alle Erschei-
nungen, Handlungen und Empfänglichkeit unseres Gemüts« verknüpfen wir so, »als
ob dasselbe eine einfache Substanz wäre, die mit persönlicher Identität beharrlich (we-
nigstens im Leben) existiert, indessen daß ihre Zustände ... kontinuierlich wechseln«.
Das Prinzip der systematischen Einheit in der Erkenntnis des Seelischen ist: »alle Be-
stimmungen als in einem einigen Subjekte, alle Kräfte, so viel möglich, als abgeleitet
von einer einigen Grundkraft, allen Wechsel als gehörig zu den Zuständen eines und
desselben beharrlichen Wesens zu betrachten.« »Aus einer solchen psychologischen
Idee kann nun nichts Anderes als Vorteil entspringen, wenn man sich nur hütet, sie
für etwas mehr als bloße Idee, d.i. bloß relativisch auf den systematischen Vernunft-
gebrauch in Ansehung der Erscheinung unserer Seele, gelten zu lassen.« »Die Seele sich
als einfach denken, ist ganz wohl erlaubt, um nach dieser Idee eine vollständige und
169 notwendige Einheit aller Gemütskräfte, ob man sie gleich | nicht in concreto einsehen
kann, zum Prinzip unserer Beurteilung ihrer inneren Erscheinungen zu machen.«")638
Kant hat sich nicht eingehender mit der Idee der Seele beschäftigt, während er Me-
chanismus und Organismus genau analysiert hat. Eine Vertiefung in die Ideenbildung,
wie sie faktisch in der Psychologie gegeben ist, würde etwa folgendes lehren: Es gibt
unter der Idee der Seele eine ganze Reihe von Ideen, die ein Ganzes als Aufgabe setzen;
von diesen sind neben Mechanismus und Organismus als etwas prinzipiell Neues nur

i Kritik der Urteilskraft § 65.
ü Die kennzeichnenden Stellen über die Idee der Seele finden sich in B. 700,710-712,718,723 Anm.,
799,812-813.
 
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