Kants Ideenlehre
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| Ästhetische Ideen 667
Kant fragt, was man unter »Geist« verstehe, wenn man von Dichtungen, Kunstwerken,
Reden usw. die, was den Geschmack betrifft, ohne Tadel seien, die nett, elegant, or-
dentlich, gründlich usw. sein mögen, sage, sie seien ohne Geist. Er antwortet: »Geist
in ästhetischer Bedeutung heißt das belebende Prinzip im Gemüte ... Nun behaupte
ich, dieses Prinzip sei nichts anderes, als das Vermögen der Darstellung ästhetischer
Ideen; unter einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbil-
dungskraft, die viel zu denken veranlaßt, ohne daß ihr doch irgendein bestimmter Ge-
danke, d.i. Begriff, adäquat sein kann, die folglich keine Sprache völlig erreicht und
verständlich machen kann. - Man sieht leicht, daß sie das Gegenstück (Pendant) von
einer Vernunftidee sei, welche umgekehrt ein Begriff ist, dem keine Anschauung (Vor-
stellung der Einbildungskraft) adäquat sein kann... Man kann dergleichen Vorstellun-
gen der Einbildungskraft Ideen nennen, einesteils darum, weil sie zu etwas über die Er-
fahrungsgrenze Hinausliegenden wenigstens streben, und so einer Darstellung der
Vernunftbegriffe (der intellektuellen Ideen) nahe zu kommen suchen..., andrerseits...
weil ihnen, als inneren Anschauungen, kein Begriff völlig adäquat sein kann.« Die äs-
thetischen Ideen geben »der Einbildungskraft einen Schwung,... mehr dabei, obzwar
auf unentwickelte Art, zu denken, als sich in einem Begriffe, mithin in einem bestimm-
ten Sprachausdrucke, zusammenfassen läßt«. - Das Genie besteht »eigentlich in dem
glücklichen Verhältnisse, welches keine Wissenschaft lehren und kein Fleiß erlernen
kann, zu einem gegebenen Begriffe Ideen aufzufinden, und andererseits zu diesen den
Ausdruck zu treffen, durch den die dadurch bewirkte subjektive Gemütsstimmung ...
anderen mitgeteilt werden kann. Das letztere Talent ist eigentlich dasjenige, was man
Geist nennt...«.
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Kant fragt, was man unter »Geist« verstehe, wenn man von Dichtungen, Kunstwerken,
Reden usw. die, was den Geschmack betrifft, ohne Tadel seien, die nett, elegant, or-
dentlich, gründlich usw. sein mögen, sage, sie seien ohne Geist. Er antwortet: »Geist
in ästhetischer Bedeutung heißt das belebende Prinzip im Gemüte ... Nun behaupte
ich, dieses Prinzip sei nichts anderes, als das Vermögen der Darstellung ästhetischer
Ideen; unter einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbil-
dungskraft, die viel zu denken veranlaßt, ohne daß ihr doch irgendein bestimmter Ge-
danke, d.i. Begriff, adäquat sein kann, die folglich keine Sprache völlig erreicht und
verständlich machen kann. - Man sieht leicht, daß sie das Gegenstück (Pendant) von
einer Vernunftidee sei, welche umgekehrt ein Begriff ist, dem keine Anschauung (Vor-
stellung der Einbildungskraft) adäquat sein kann... Man kann dergleichen Vorstellun-
gen der Einbildungskraft Ideen nennen, einesteils darum, weil sie zu etwas über die Er-
fahrungsgrenze Hinausliegenden wenigstens streben, und so einer Darstellung der
Vernunftbegriffe (der intellektuellen Ideen) nahe zu kommen suchen..., andrerseits...
weil ihnen, als inneren Anschauungen, kein Begriff völlig adäquat sein kann.« Die äs-
thetischen Ideen geben »der Einbildungskraft einen Schwung,... mehr dabei, obzwar
auf unentwickelte Art, zu denken, als sich in einem Begriffe, mithin in einem bestimm-
ten Sprachausdrucke, zusammenfassen läßt«. - Das Genie besteht »eigentlich in dem
glücklichen Verhältnisse, welches keine Wissenschaft lehren und kein Fleiß erlernen
kann, zu einem gegebenen Begriffe Ideen aufzufinden, und andererseits zu diesen den
Ausdruck zu treffen, durch den die dadurch bewirkte subjektive Gemütsstimmung ...
anderen mitgeteilt werden kann. Das letztere Talent ist eigentlich dasjenige, was man
Geist nennt...«.
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