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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0016
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Einleitung des Herausgebers

XV

sia non cantat. Aber er hätte sich wiedergefunden in einer Notiz - ausgerechnet Max
Horkheimers -, »notwendig für die Erkenntnis« sei, »was Jaspers das Transzendieren
nannte, das leidenschaftliche Bemühen um ein bestimmtes Ziel«: »Es genügt nicht,
mit dem Kopf zu denken.«49
2. Zeit des Unheils
Die vorliegende Edition präsentiert, erstmals in dieser Zusammenstellung,50 zwei
Schlüsseltexte aus den 1930er Jahren: die Groninger Vorlesungen »Vernunft und Exis-
tenz« vom März 1935 und die Frankfurter Vorträge über Existenzphilosophie, gehal-
ten im September 1937. Chronologisch gehören beide Texte offensichtlich zusammen,
sachlich auch - was weniger selbstverständlich scheint. Man hat in den Groninger
Vorlesungen häufig das Dokument einer Kehre von der Existenz- zur Vernunftphilo-
sophie gesehen, eine Selbstkritik an subjektivistischen Engführungen, die durch die
Konjunktion von Vernunft und Existenz bereinigt würden: »Als der chaotische Irrati-
onalismus der nationalsozialistischen Weltanschauung die Geister zu verwirren be-
gann, [ließ Jaspers] den Begriff der Existenz hinter den Begriff der Vernunft zurück-
treten, ja [hätte] am liebsten das gesprochene Wort >Existenz< zurückgerufen.«51 Aber
schon die Tatsache, dass Jaspers in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu Vernunft und Exis-

49 M. Horkheimer: Nachgelassene Schriften 1949-1972. Gesammelte Schriften Bd. 14, Frankfurt a.M.
1988,289.

50 - erstmals vollständigin dieser Zusammenstellung, vgl. bereits: La filosofia dell'esistenza. Con nota
introduttiva di Antonio Banfi. Traduzione di Ottavio Abate, Milano 1940, mit der italienischen
Übersetzung des Schlusskapitels von Vernunft und Existenz: »La possibilitä della filosofia contem-
poranea«, ebd., 151-183.

51 H.-G. Gadamer: »Die phänomenologische Bewegung«, in: Hegel, Husserl, Heidegger. Gesammelte
Werke Bd. 3, Tübingen 1987, 104-146, 114. Jaspers bestätigt an anderer Stelle, »daß der Begriff der
Vernunft erst nach 1933 bei mir ausdrücklich herausgehoben« wird. Nur sei es »nicht richtig«,
darin »so etwas wie eine Konversion zu sehen«: »Die Sache ist in allen meinen früheren Schrif-
ten gegenwärtig und von jeher deren Lebenskraft. Aber dies auszuarbeiten, wurde ich allerdings
durch die Realitäten des Nationalsozialismus in Deutschland veranlaßt« (»Antwort«, 829). Eine
nicht unwesentliche Rolle spielte außerdem das Monitum in Erich Franks Rezension der Philoso-
phie: »Es ist merkwürdig, daß dieser Begriff [sc. der Vernunft] von Jaspers in den 3 Bänden kaum
gestreift wird« (E. Frank: »Die Philosophie von Jaspers«, Theologische Rundschau 5 (1933) 301-318,
309, Anm. 1). Frank zählte neben Gerhard Krüger und Ernst Mayer zu den wenigen, deren Kritik
Jaspers ernst nahm - so auch hier: »Sehr befriedigt war ich von einer Reihe sehr kluger und tiefer
Bemerkungen, wie ich sie in langer Gewohnheit von Ihnen zu hören immer wieder ohne Enttäu-
schung erwarte; z.B. über das, was Sie über »Vernunft« [...] sagen und vermissen« (K. Jaspers an E.
Frank, 26. November 1933, Korrespondenzen 11, 288). - Zur Kontinuität des Vernunftthemas seit der
Allgemeinen Psychopathologie vgl. auch H. Plessner (U. Eyser): »Lage der deutschen Philosophie«,
Maß und Wert (1939) 2, 796-815, hier: 801-804, erweiterte Fassung (1953) unter dem Titel »Deut-
sches Philosophieren in der Epoche der Weltkriege«, in: H. Plessner: Schriften zur Philosophie. Ge-
sammelte Schriften IX, Frankfurt a.M. 1985, 262-299, hier: 274-277.
 
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