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Existenzphilosophie
37 | Es sind die Erscheinungen, die uns, gemessen an Geltung und Freiheit des zwin-
gend gültigen Verstandeswissens, gerade als die Bedrohung aller Wahrheit erschei-
nen: die Ausnahme und die Autorität. Die Ausnahme vernichtet durch ihre Wirk-
lichkeit die Wahrheit als bestehend allgemeingültige. Die Autorität knebelt durch
ihre Wirklichkeit jedes besondere Wahrsein, das absolute Eigenständigkeit bean-
sprucht.
Die Erhellung der Weisen des Umgreifenden und die Erfahrung der Konflikte und
der unaufhaltsamen Bewegung zeigte unausweichlich an der Grenze, daß die ganze
Wahrheit nicht als allgemeine Wißbarkeit und auch nicht in einer einzigen Gestalt ge-
nügend und wirklich gegenwärtig ist.
Diese Grundsituation im Zeitdasein ermöglicht die Wirklichkeit der Ausnahme, die
als Ursprung Wahrheit ist gegenüber dem sich verfestigenden Allgemeinen - und sie
fordert die Autorität als die umgreifende Wahrheit in geschichtlicher Gestalt gegenüber
der willkürlichen Vielfachheit des Meinens und Wollens. Ausnahme und Autorität
sind zu erhellen.
Der Mensch, der Ausnahme ist, ist dieses zunächst gegen das allgemeine Dasein, mag
dieses in den Sitten, Ordnungen und Gesetzen des Landes oder als Gesundheit des Lei-
bes oder als jede andere Normalität erscheinen, dann gegen das Bewußtsein über-
haupt, wie es das allgemeingültige, zwingend gewisse Denken vollzieht, schließlich
gegen den Geist, dem zugehörig ich als Glied eines Ganzen bin. Ausnahme sein ist der
faktische Durchbruch durch jede Weise eines Allgemeinen.
Die Ausnahme erfährt ihr Ausgenommensein und am Ende ihr Ausgeschlossensein
als Verhängnis, dessen Sinn ihr unauflöslich zweideutig bleibt:
Sie will das Allgemeine, das sie nicht ist. Sie will nicht Ausnahme sein, sondern beugt
38 sich unter das Allgemeine. | Sie nimmt ihr Ausnahmesein auf sich im Versuch der Ver-
wirklichung des Allgemeinen, das nun nicht in natürlichem Aufschwung, sondern in
Selbstdemütigung geschieht und scheitert. Sie versteht sich selbst als Ausnahme nur
durch das Allgemeine. Aus ihrem Ausnahmesein ergreift sie im Scheitern das positiv
Allgemeine um so energischer durch ihr Verständnis. Aus der Liebe zu dem, was der
aus der Tiefe des Ursprungs Denkende selbst nicht ist, wird das Verstandene nur um so
klarer und leuchtender, so wie es der, der es im Gelingen und Wohlgeratensein selbst
ist, gar nicht mitteilbar machen könnte.
Aber trotz der Unterwerfung unter das Allgemeine wird das Ausnahmesein in sich
zugleich Aufgabe als Weg einer einmaligen Verwirklichung, der gegen das Allgemeine zu
gehen ihr, wenn auch nicht gewollt, doch notwendig ist. Sie kann weltlos werden im
Dienste der Transzendenz, kann durch die Folge negativer Entschlüsse (berufslos, ehe-
los, bodenlos) gleichsam verschwinden. Sie kann darin Wahrheit sein, ohne Vorbild
zu sein, ohne durch ihr eigenes Sein einen Weg zu zeigen. Sie ist wie ein Leuchtturm
Existenzphilosophie
37 | Es sind die Erscheinungen, die uns, gemessen an Geltung und Freiheit des zwin-
gend gültigen Verstandeswissens, gerade als die Bedrohung aller Wahrheit erschei-
nen: die Ausnahme und die Autorität. Die Ausnahme vernichtet durch ihre Wirk-
lichkeit die Wahrheit als bestehend allgemeingültige. Die Autorität knebelt durch
ihre Wirklichkeit jedes besondere Wahrsein, das absolute Eigenständigkeit bean-
sprucht.
Die Erhellung der Weisen des Umgreifenden und die Erfahrung der Konflikte und
der unaufhaltsamen Bewegung zeigte unausweichlich an der Grenze, daß die ganze
Wahrheit nicht als allgemeine Wißbarkeit und auch nicht in einer einzigen Gestalt ge-
nügend und wirklich gegenwärtig ist.
Diese Grundsituation im Zeitdasein ermöglicht die Wirklichkeit der Ausnahme, die
als Ursprung Wahrheit ist gegenüber dem sich verfestigenden Allgemeinen - und sie
fordert die Autorität als die umgreifende Wahrheit in geschichtlicher Gestalt gegenüber
der willkürlichen Vielfachheit des Meinens und Wollens. Ausnahme und Autorität
sind zu erhellen.
Der Mensch, der Ausnahme ist, ist dieses zunächst gegen das allgemeine Dasein, mag
dieses in den Sitten, Ordnungen und Gesetzen des Landes oder als Gesundheit des Lei-
bes oder als jede andere Normalität erscheinen, dann gegen das Bewußtsein über-
haupt, wie es das allgemeingültige, zwingend gewisse Denken vollzieht, schließlich
gegen den Geist, dem zugehörig ich als Glied eines Ganzen bin. Ausnahme sein ist der
faktische Durchbruch durch jede Weise eines Allgemeinen.
Die Ausnahme erfährt ihr Ausgenommensein und am Ende ihr Ausgeschlossensein
als Verhängnis, dessen Sinn ihr unauflöslich zweideutig bleibt:
Sie will das Allgemeine, das sie nicht ist. Sie will nicht Ausnahme sein, sondern beugt
38 sich unter das Allgemeine. | Sie nimmt ihr Ausnahmesein auf sich im Versuch der Ver-
wirklichung des Allgemeinen, das nun nicht in natürlichem Aufschwung, sondern in
Selbstdemütigung geschieht und scheitert. Sie versteht sich selbst als Ausnahme nur
durch das Allgemeine. Aus ihrem Ausnahmesein ergreift sie im Scheitern das positiv
Allgemeine um so energischer durch ihr Verständnis. Aus der Liebe zu dem, was der
aus der Tiefe des Ursprungs Denkende selbst nicht ist, wird das Verstandene nur um so
klarer und leuchtender, so wie es der, der es im Gelingen und Wohlgeratensein selbst
ist, gar nicht mitteilbar machen könnte.
Aber trotz der Unterwerfung unter das Allgemeine wird das Ausnahmesein in sich
zugleich Aufgabe als Weg einer einmaligen Verwirklichung, der gegen das Allgemeine zu
gehen ihr, wenn auch nicht gewollt, doch notwendig ist. Sie kann weltlos werden im
Dienste der Transzendenz, kann durch die Folge negativer Entschlüsse (berufslos, ehe-
los, bodenlos) gleichsam verschwinden. Sie kann darin Wahrheit sein, ohne Vorbild
zu sein, ohne durch ihr eigenes Sein einen Weg zu zeigen. Sie ist wie ein Leuchtturm