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Abbildungen
II
Sichtbarkeit den Ernst seines Glaubens, daher hört die Dlscusslon
über seine "Maske" nicht auf. Stützen wir uns auf die mltgetellte
Philosophie allein, so glaube Ich In dem Sinne meiner Darlegungen
Ihrer Umkehrung meines Satzes widersprechen zu dürfen. -
Sle hatten vor einigen Wochen die Güte, mir Ihre Thesen über
" Subjektivität und Transcendenz" zu schicken. Es wird mir schwer,
thesenartlg zu antworten. Ich beschränke mich auf das, was Sle
Inbezug auf meine Philosophie sagen:
1) Meine Erhellung der Grenzsituationen setze, so schreiben
Sle, mit dem Begriff der Grenze auch die Idee einer Ganzheit als
des Guten und wahren voraus; diese Ganzheit jedoch könne In mel -
ner Denkungsart eigentlich nicht von mir anerkannt werden.Nun
behaupte ich nirgends ein Wissen von allem Sein, sondern nur ein
Wissen von den "Welsen des Umgreifenden", in denen Wlsebarkelt
je auf ursprünglich andere Welse mir offenbar wird. Jede Wilee des
Umgreifenden — zuerst Dasein, Bewusstsein überhaupt, Geist; denn
Existenz stösst auf die Grenze, die zu Ihm gehört, und gerät damit
In die Situation, wo die Grenze durchbrochen werden kann in einen
anderen Raum, bis erst In der Transcendenz Ruhe möglich wird; die -
aber/
se Ruhe /kann In keiner Gewussthelt zum Besitz werdenden mein Phl -
losophleren durchziehenden Grundgedanken habe ich noch einmal In
Frankfurter Vorlesungen zusammengefaset, die Ich mir gestatte Ih -
nen In kommender Woche zuzu8 enden. Falls Sle Lust haben, mache Ich
aufmerksam auf S. 13 -25, Insbesondere aber auf S.29 ff. und weiter^
Grenze lat also stets nur Inbezug auf eine Welse des Selnsbewusst -
seins; nicht aber ist Grenze absolut.Ganzheit lat Ihrerseits von
verschiedenem Sinns als Vollendung, Einstimmung, Abschluss einer
grenzenlos in sich bezogenen Harmonie; aber auch Ganzheit lat je-
weils nur Inbezug auf eine Welse des Umgreifenden.In der Transcen -
denz hört sle auf, ebenso wie Ihr Gegenteil, da hier alles Sagbare
nur Inadäquates Gleichnis lat.
2) Dass Ich 1m Gegensatz zu Kierkegaard In dieser, unserer Welt
blelben wolle, dieser Satz könnte Missverständlich sein. Ich leugne
Abbildung 5: Karl Jaspers an Jean Wahl, 30. Januar 1938. Übersetzungsvorlage, vgl. S. 164; DLA, A:
Jaspers; © Karl jaspers-Stiftung, Basel.
Abbildungen
II
Sichtbarkeit den Ernst seines Glaubens, daher hört die Dlscusslon
über seine "Maske" nicht auf. Stützen wir uns auf die mltgetellte
Philosophie allein, so glaube Ich In dem Sinne meiner Darlegungen
Ihrer Umkehrung meines Satzes widersprechen zu dürfen. -
Sle hatten vor einigen Wochen die Güte, mir Ihre Thesen über
" Subjektivität und Transcendenz" zu schicken. Es wird mir schwer,
thesenartlg zu antworten. Ich beschränke mich auf das, was Sle
Inbezug auf meine Philosophie sagen:
1) Meine Erhellung der Grenzsituationen setze, so schreiben
Sle, mit dem Begriff der Grenze auch die Idee einer Ganzheit als
des Guten und wahren voraus; diese Ganzheit jedoch könne In mel -
ner Denkungsart eigentlich nicht von mir anerkannt werden.Nun
behaupte ich nirgends ein Wissen von allem Sein, sondern nur ein
Wissen von den "Welsen des Umgreifenden", in denen Wlsebarkelt
je auf ursprünglich andere Welse mir offenbar wird. Jede Wilee des
Umgreifenden — zuerst Dasein, Bewusstsein überhaupt, Geist; denn
Existenz stösst auf die Grenze, die zu Ihm gehört, und gerät damit
In die Situation, wo die Grenze durchbrochen werden kann in einen
anderen Raum, bis erst In der Transcendenz Ruhe möglich wird; die -
aber/
se Ruhe /kann In keiner Gewussthelt zum Besitz werdenden mein Phl -
losophleren durchziehenden Grundgedanken habe ich noch einmal In
Frankfurter Vorlesungen zusammengefaset, die Ich mir gestatte Ih -
nen In kommender Woche zuzu8 enden. Falls Sle Lust haben, mache Ich
aufmerksam auf S. 13 -25, Insbesondere aber auf S.29 ff. und weiter^
Grenze lat also stets nur Inbezug auf eine Welse des Selnsbewusst -
seins; nicht aber ist Grenze absolut.Ganzheit lat Ihrerseits von
verschiedenem Sinns als Vollendung, Einstimmung, Abschluss einer
grenzenlos in sich bezogenen Harmonie; aber auch Ganzheit lat je-
weils nur Inbezug auf eine Welse des Umgreifenden.In der Transcen -
denz hört sle auf, ebenso wie Ihr Gegenteil, da hier alles Sagbare
nur Inadäquates Gleichnis lat.
2) Dass Ich 1m Gegensatz zu Kierkegaard In dieser, unserer Welt
blelben wolle, dieser Satz könnte Missverständlich sein. Ich leugne
Abbildung 5: Karl Jaspers an Jean Wahl, 30. Januar 1938. Übersetzungsvorlage, vgl. S. 164; DLA, A:
Jaspers; © Karl jaspers-Stiftung, Basel.