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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0050
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Grundsätze des Philosophierens

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Für den Menschen stehen daher die aktiven Weltanschauungen, die immer duali-
stisch sind, als wahre Deutung des in ihm möglichen Unbedingten, das immer Unbe-
dingtheit des Guten ist, gegen das vitale Sichgehenlassen, gegen Rausch und Leiden-
schaft der Macht, gegen ästhetische Unverbindlichkeit, gegen verschleiernde Harmonie,
gegen den Fehlglauben des Sicheinlassens auf das Böse aus Gnadenbewusstsein. Es ist
für den Menschen vergeblich, das Unbedingte in sich jenseits von gut und böse zu su-
chen oder zu sehen.
Der Mensch als Einzelner muss seine Stellung wissen. Er muss wissen, wohin er ge-
hört, weil er sich dahin wählt, muss wissen, in welcher Front er steht. Seine mögliche
Würde liegt in der Unerbittlichkeit seines in seinem Handeln - nicht im Richtertum -
sich verwirklichenden Urteils über gut und böse.
e. Das Unbedingte in der Zeit. - Die Unbedingtheit des Menschen ist ihm nicht wie
sein Dasein gegeben. Sie erwächst ihm. Erst wo wir im Menschen die Überwindung se-
hen und den Weg spüren, den er gegangen ist, bis der unbedingte Entschluss unbeirr-
bar wurde, glauben wir ihm. Dagegen lassen die Endgiltigkeit von Anfang an, die Be-
wegungslosigkeit der Seele, ihre abstrakte Unerschütterlichkeit den glaubwürdigen
Menschen verborgen bleiben.
Die Unbedingtheit hat ihre Quelle nicht im Dasein. Sie wird sich offenbar in der
Erfahrung der Grenzsituationen und in der Gefahr des Sichuntreuwerdens. Indem sie
sich erwirbt, wird sie dem Menschen mit seinem inneren Handeln entscheidend aus
der Transzendenz gegeben.
Aber das Unbedingte selber wird nicht zeitlich. Wo es ist, ist es zugleich quer zur
Zeit. Es bricht aus der Transzendenz in diese Welt auf dem Wege über unsere Freiheit.
Wo es erworben ist, ist es doch in jedem Augenblick ursprünglich. Darum: Wo die zeit-
liche Kontinuität zu einem erworbenen Besitz geführt zu haben scheint, kann doch
noch in einem Augenblick alles verloren und verraten sein. Wo umgekehrt seine Ver-
gangenheit den Menschen bis zur Vernichtung zu belasten scheint, kann er doch noch
in jedem Augenblick gleichsam von vorn anfangen, indem er des Unbedingten plötz-
lich inne wird.
f. Unbedingte Forderung und Gesetz. - Wenn das Unbedingte in der Grenzsitua-
tion an den Menschen herantritt, ist es zugleich Notwendigkeit und Forderung3.
Soll die Unbedingtheit verstanden werden, so muss ihr Gehalt aussagbar sein. Ver-
sucht dies der Handelnde oder der Betrachtende, so entsteht aus dem, was einmal ge-
schichtlich getan wurdeb, ein allgemeines Gesetz. Die Forderung wird als Sollen in-

a Notwendigkeit und Forderung im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Notwendigkeit aus der Exi-
stenz und Forderung für die Reflexion
t> was einmal geschichtlich getan wurde im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu was geschichtlich ge-
tan wird
 
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