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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0135
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Grundsätze des Philosophierens

Ein Beispiel allverstehenden Weltwissens ist die universale Dialektik des Endlichen.
Es ist richtig, dass alles Endliche sich nicht nur faktisch auflöst, sondern dass wir ge-
danklich die innere Widersprüchlichkeit alles Endlichen und darin seine Lebendig-
keit aufzeigen können: so löst sich alles Endliche in einem Gebäude des Gedachten -
im Hegel’schen System - auf, um zu vergehen und bewahrt zu werden im Unendlichen.
Dieses für unser Philosophieren wichtige Denkbild verwandelt in ein Geschehen, das
ohnehin geschieht, was doch von uns durch lebenwährendes inneres Handeln stän-
dig noch wirklich erworben werden muss. Wir können die Weltüberwindung nicht
durch denkendes Beherrschen in unseren Besitz verwandeln. Wir sind ständig in Ge-
fahr, die Weltüberwindung, indem wir sie denkend vollziehen, in der Wirklichkeit zu
verlieren.
Eigentliche Weltüberwindung vollzieht sich in der Einheit von Einsatz in Realität
mit dem Bewusstsein der Erscheinungshaftigkeit dieses Realen. Dann kann im Ernste
der Aktivität zugleich eine stille Gelassenheit erwachsen. Aber es scheint nur ein
Schritt zu sein und die Gelassenheit wird zur Müdigkeit. Statt der Aktivität bleibt nur
ein Geschehenlassen. Allein das innere Gewissen kann solche Müdigkeit von echter
Gelassenheit, den Collaps von der Hingabe, unterscheiden.
 
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