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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0177
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Grundsätze des Philosophierens

Was geistig ist, ist als hervorgebrachter Inhalt grenzenlos deutbar, aber nicht nur
willkürlich, sondern notwendig. Das Hervorgebrachte ist kein fester Bestand, sondern
gleichsam Marke auf dem Weg des Hellwerdens eines Unendlichen.
Das verwandelnde Verstehen kann psychologisch sein, wenn das Unbewusste der
Antriebe, Verflechtungen, Umsetzungen, Sublimierungen durchleuchtet, damit aber
sogleich auch anders wird unter Wirksamwerden neuer Unbewusstheiten.
Das verwandelnde Verstehen kann geistig sein, wenn die unendlichen Ideen sich
in Sinnentfaltungen vermöge dieser Reflexionen an den Tag bringen.
4. Causalität in den Geisteswissenschaften: Wenn ein Verstehen die Objekte vor
Augen gebracht hat, kann dann auch an die historischen Erscheinungen die kausale
Frage gestellt werden. Welche äusseren Bedingungen, Abhängigkeiten haben das gei-
stige Geschehen ermöglicht, bewirkt, verhindert?
Was geschehen ist, ist niemals ohne Rest zu verstehen. Das Unverständliche fordert
für die Erkenntnis Erklärung. Zur Erklärung dienen Fakticitäten, deren Objektivierung
zum Teil den Naturwissenschaften entlehnt sind (biologische, geographische, techni-
sche u.a. Tatbestände), zum Teil neue Gebilde der historischen Wissenschaften darstel-
len: Situationen, Gesellschaftszustände, pragmatische Zusammenhänge des Geschehens.
5. Existenz in den Geisteswissenschaften: Das Verstehen stösst nach zwei Seiten an
die Grenze des Unverständlichen: an das eben gemeinte Unverständliche, das der
opake Grund der Realität ist, welcher der causalen Erklärung von aussen zugänglich
wird, und an das Unverständliche der Existenz, die zwar im Geistigen von innen gren-
zenlos erhellbar, weil sich erhellend ist, aber immer zuletzt der Grund bleibt, aus dem
der Mensch er selbst, geschichtlich existierend ist.
Existenz wird nie Objekt, daher auch kein Gegenstand der Geisteswissenschaften.
Aber im verstehbaren Gegenstand dieser Wissenschaften und im Forscher, der sich
ihm zuwendet, ist Existenz das Begründende, Führende, Begrenzende und ins Offene
Hindurchbrechende. Daher ist in diesen Wissenschaften am Ende massgebend und
wertbestimmend, was in ihnen nicht erkannt und nicht zum Zweck gemacht werden
kann. Was in ihren Objektivierungen nicht vorkommt, bestimmt den Sinn dieser Ob-
jektivierungen. -
Nach der beispielsweisen Erörterung des Objektivierungssinns in einzelnen Wis-
senschaften versuchen wir weiter die Objektivierung grundsätzlich zu klären: wir
möchten den Sinn der Subjekt-Objekt-Spaltung in seinem Grunde vergegenwärtigen
und daraus die Mannigfaltigkeit des Subjekt-Objekt-Verhältnisses begreifen. Dabei ge-
hen wir aus vom Bewusstsein überhaupt, sehen dann, wie dieses seine Erfüllung erst
im Zusammenhang mit den anderen Weisen des Umgreifenden findet, gliedern
schliesslich die Grundweisen der Objektivierung im Bewusstsein überhaupt unabhän-
gig von den faktischen Wissenschaften.
 
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