Metadaten

Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0178
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Grundsätze des Philosophierens

175

c. Das Subjekt-Objekt-Verhältnis
aa. Bewusstsein überhaupt: Das Objekt ist als Gegenstand für das Bewusstsein. Wie das
Sein für das Bewusstsein als Objekt erscheint, das ist die Weise unseres Erkennens.
Aber in unserem faktischen Bewusstsein sind Objekte auf mannigfaltige, auch als
täuschende, d.h. nur in der individuellen Subjektivität begründete Weise da. In die-
sem empirischen, individuell variierenden Bewusstsein ist gegenwärtig ein Bewusst-
sein überhaupt, d.h. das Bewusstsein, das überall identisch ist und für das auf überein-
stimmende Weise das, was ist, Gegenstand wird. Dieses Bewusstsein ist nicht die
willkürliche und zufällige Subjektivität der Einzelnen, sondern die Subjektivität über-
haupt, für die und durch die alle Objekte sind, wie sie sind.
Das Bewusstsein überhaupt hat die Objekte vor sich in allgemeinen Anschauungs-
formen (Raum und Zeit) und in Kategorien (Kausalität, Leben, Sinn usw.), welche die
Grund Strukturen zugleich des Denkens und der Dinge sind. Das Wissen des Bewusst-
seins überhaupt arbeitet sich aus dem empirisch variierenden Bewusstsein heraus durch
eine Abstraktion. So wird die reine Anschauung des Raums erst in der euklidischen Geo-
metrie deutlich, so die Kategorien erst in der durch Jahrtausende festgesetzten logi-
schen Besinnung, so das allgemeingiltig identische Erkennbare erst im Fortschritt der
Wissenschaften. Alle Wissenschaften vollziehen solche Abstraktionen, und zwar in ver-
schiedenen Richtungen. Jedesmal gewinnen sie eine Objektivität des Seienden, so in
der qualitativen Abstraktion der aristotelischen Beschreibungen unmittelbar erlebter
Phaenomene, so in der morphologischen Abstraktion Goethes, so in der mathemati-
schen Abstraktion bis zum Unanschaulichen hin. Jedesmal wird ein Objekt als Realität
oder als ideales Gebilde gültig erfasst, niemals aber das Sein schlechthin.
Was im Bewusstsein überhaupt erkannt wird, bedeutet daher zwar jeweils eine Ver-
engung auf bestimmt Fassliches in der Erscheinung, aber zugleich eine Erweiterung
auf das Allgemeingiltige, alle denkenden Wesen in dem einen Bewusstsein überhaupt
Verbindende.
bb. Das Bewusstsein überhaupt in den anderen Weisen der Subjektivität: Das Be-
wusstsein überhaupt ist die reine Form des Anschauens und Denkens. Was aber jeweils
angeschaut und gedacht wird, kommt aus dem Dasein und dem Geist dessen, in dem
das Bewusstsein überhaupt seine Gegenstände vor Augen stellt. Das Bewusstsein über-
haupt hat an Stoff und Gehalt nichts in sich, alles muss ihm gegeben werden. Es ist um-
greifend als Form der Subjekt-Objekt-Spaltung und reich in der Gliederung zu besonde-
ren Formen, aber leer an Inhalt. Will man die Mannigfaltigkeit seiner Formen den Inhalt
des Bewusstseins überhaupt nennen, so ist auch dieser von vornherein abhängig von
den Sachen, deren Erscheinung durch solche Formen für das Wissen gegenständlich
wird. Das Bewusstsein überhaupt bliebe ein blosser Punkt des auf Gegenstände über-
haupt Gerichtetseins, wenn es nicht durch die Affektion von Seiten des Seins im Dasein,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften