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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0185
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182

Grundsätze des Philosophierens

Die Materie, könnte man einwenden, ist garnicht das schlechthin Andere für uns.
Des Menschen Leib ist Materie, wir selber sind also Materie, und wissen als solche We-
sen durch Innesein, was Materie ist. Aber der Mensch ist, weil er als Leib Materie ist,
der Materie nicht näher. Sie bleibt das Andere, das er fühlt, empfindet, berührt, hört,
sieht, riecht, das er aber darin auch mit dem eigenen Leibe nie hat. Als Materie, etwa
als abgeschnittenes Glied, schon als Glied, dessen Nerven durchschnitten sind, ist
ihma der eigene Leib als Materie das Fremde, undurchdringlich Andere. Er ist selber
nicht Materie, äusser in der Täuschung, in der er sich mit seinem Leibe als Materie,
statt mit seinem Leib als Leben, Ausdruck, Wesen, Gestalt identificiert.
Das Sein der Materie ist aber ein Rätsel gerade auch dann, wenn ich sie als das
dunkle, an sich seiende Andere denke. Was ist das für ein Sein, das von sich nicht weiss?
Hat es nicht gleichsam nur Sein, wenn es Wesen gibt, die es wissen können? Ist dieses
Sein noch, wenn nie jemand von ihm weiss? Ist es dann nicht nur Möglichkeit, näm-
lich Wahrnehmbarkeit, sofern lebendige Wesen da sind? Ist die handgreiflichste, gröb-
ste, undurchdringlichste Realität nicht zugleich nichts?
4. Erkennen dessen, was ich selber bin: Wo immer wir erkennen, ist etwas von un-
serer Subjektivität im Objekt. Auch im Erkennen der Materie ist die Subjektivität un-
seres Bewusstseins überhaupt im Erkannten, nämlich die Kategorien des Verstandes,
die das Mechanische fassen[,] und die weiteren Kategorien, welche der zum Objekt ge-
wordenen Materie die Form einer Denkbarkeit geben. Aber immer ist hier diese Sub-
jektivität nur in der Form des Erkannten. Ganz anders nahe ist uns das Objekt, wenn
nicht nur seine Form, sondern es selber das ist, was wir sind.
Nicht das Dunkel der Materie, sondern die Helligkeit dessen, was wir durch eige-
nes Innesein erfahren und als geistiges Gebilde vor Augen stellen, ist dann der Gehalt
des gegenständlich Erkannten. Das ist der Fall bei den Objektivitäten der Biologie, Psy-
chologie, der Geschichte, welche folgendes gemeinsam haben: Sie liegen mit ihrem
Wesentlichen ausserhalb der Grenze des Mechanischen; sie brauchen specifische nicht
mechanische Kategorien; sie sind specifischen Methoden der Erkenntnis zugänglich.
Zwar ist in den erforschten Objektivitäten als realen immer auch ein Untergrund von
Materie, der in mechanischen Kategorien begriffen werden muss. Aber in allen ist zu-
gleich etwas, das mir als verwandt entgegenkommt, als Innerlichkeit im Leben als sol-
chem, oder als das, was ich selber bin, im anderen Menschen. Ich bleibe gegenwärtig
im Objekt, das ich erkenne.
Wie steht es hier mit der Affektion des Erkennenden durch das Erkannte? Im Er-
kennen der Materie und im Erdenken der Transcendenz geschah die Affektion des Um-
greifenden dadurch, dass Umgreifendes, das das Sein selber ist, im Umgreifenden, das
wir sind, gegenwärtig wird - in der Realität unseres Daseins und in der Wirklichkeit

statt ihm im Ms. und in der Abschrift A. F. ihr
 
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