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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0272
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Grundsätze des Philosophierens

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faktisch in ihr steckte (statt nur jeweils ein Sinnzusammenhang unter anderen zu sein),
noch einen von Menschen zu entwerfenden, der ihren Gang im Ganzen bestimmen
würde (statt nur ein Faktor zu sein, der auch bewirkt, was er nicht will).
III. Das endlose Geschehen und das Umgreifende: Gemessen an den vorhistori-
schen Zeiten des Menschen, des Lebens, der Erde ist die gesamte wissbare Weltge-
schichte wie eine Sekunde. Endlose Vergangenheit und endlose Zukunft schliessen sie
ein. Schon nach zehntausend Jahren ist dies alles, was jetzt geschieht, gleichgültig
und, wenn nicht vergessen, ein unwesentliches Einzelgeschehen. Aber wir verlieren
uns ins grenzenlos Leere, wenn wir solcher Anschauung zu folgen versuchen.
Wenn wir jedoch umgekehrt uns ein geschlossenes Bild machen, so schneiden wir
nicht nur fälschlich ab, was ausserhalb blieb, sondern vergegenständlichen das Um-
greifende, aus dem und in dem wir selber sind.
Ereignisse und Gestalten im Umgreifenden zu sehen und aus dem Umgreifenden
Antrieb, Massstab und Ziel zu empfangen, ist die echte Teilnahme an der Geschichte,
die anders nicht gewonnen wird, weil die Geschichte im endlosen Process entrinnt
und in begrenzter Totalität sich durch falsche Enge fixiert.
Wie weltgeschichtliche Totalität gesehen wird, ist Ausdruck des Seinsbewusstseins.
Durch sie wird der Handelnde und der Gehorchende gleichsam in seiner Bahn gehalten.
Es gibt ein falsches Sichverlieren an Weltgeschichte. Die Grossartigkeit eines Gan-
zen erlaubt es dem Menschen, sein eigenes Tun für gleichgültig zu halten, im An-
schauen des Ganzen aesthetisch unverbindlich sich zu erfüllen, zu erbauen und sich
erschauern zu lassen.
Das geschlossene Totalbild lässt das Fragen preisgeben. Zugunsten fraglos gewor-
dener Totalanschauungen versagt das offene Sehen.
Aber schwer ist die Suspension solcher bergenden Totalität. Verlasse ich sie, so kann
ich verführt werden zur Passivität oder zur Beliebigkeit im Chaos des vermeintlich Zu-
fälligen. Der Schwache drängt daher, um seine Aktivität zu ermöglichen, zum Glau-
ben an Totaltäuschungen. Der Selbstseiende dagegen wagt zu wissen und zu hören und
zu fragen, um in der durch sein Wissen nur concreter werdenden Situation entschie-
den aus dem ungewussten Umgreifenden tätig sein zu können.
Die Vergangenheit ist ein Medium unserer Abschätzungen. Wir vollziehen unser Be-
jahen und Verwerfen, unsere Liebe und unsere Abscheu, unsere Ehrfurcht und unsere
Verachtung, unsere Nachfolge und unser Abstossen. Was geschehen ist, ist grundsätzlich
revidierbar aus dem Umgreifenden der Geschichte, in der wir noch leben. In diesem Sinne
ist kein Sieger endgültig Sieger. Das heisst zwar nicht, dass das Geschehen umkehrbar sei;
was geschehen ist, ist geschehen. Menschen sind vorzeitig vernichtet, Völker sind unter-
gegangen, Erkenntnisse vergessen, Glaubensanschauungen verloren, ganze Kulturen aus
dem Horizont der Überlieferung verschwunden. Aber wenn das faktische Geschehen
auch weder auszulöschen noch rückgängig zu machen ist, so ist es doch in seinen Folgen
 
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