Grundsätze des Philosophierens
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Druck der Kriegsanforderungen setzt. Die staatliche Gemeinschaft muss auf mensch-
liche Zwecke verzichten, um das Maximum militärischer Kraft zu gewinnen. Die Not-
wendigkeit der Selbstbehauptung erzwingt insbesondere die Einschränkung der Frei-
heit. Der Zweck der Kriegsorganisation fordert absoluten Gehorsam, Suspension aller
Kritik, Verzicht auf eigenes Mitwirken durch freies Denken, Sprechen, Handeln zugun-
sten absoluter Einordnung in das nichtgewusste Ganze, das nur Wenige denkend füh-
ren dürfen.
Das Weltreich gibt dagegen die grössten Chancen der Freiheit. Wie der Mensch
durch technisch-civilisatorische Entwicklung aus der Gebundenheit in tägliche Da-
seinssorge um die gröbsten Lebensbedingungen zur Musse des Besinnens und der gei-
stigen Schöpfung gelangt, so wird er durch die den Kampf der Staaten ausschaltende
Weltordnung zur Möglichkeit der Entfaltung seiner eigentlichen Freiheit gebracht.
Universale Ordnung und Freiheit des einzelnen Menschen stehen in Zusammenhang.
Überwindung sowohl der Daseinssorge wie der Selbstbehauptung als absoluter, aus-
schliessender Notwendigkeiten geben den Menschen als Menschen erst frei.
Für den abstrakten Gedanken und in der Abgleitung ist das nur der Zusammenhang
des leeren Allgemeinen mit der leeren Freiheit individueller Vereinzelung. In Wirk-
lichkeit kann es die Ausweitung des Menschen in das All seiner concreten Möglichkei-
ten sein. Er ist Staatsbürger der Welt, auf der Erde durch Reisen und Freizügigkeit all-
gegenwärtig, aber er ist dies nur in gliedhafter Einordnung auf Grund seiner
geschichtlichen Gebundenheit. Heimat, Volk, Kulturkreis und Welt sind die Stufen-
folge seines Angehörens zum Ganzen. Er ist nicht abstraktes Atom einer Milliarden-
masse, sondern ein geschichtlich besonderes Wesen an seinem Ort. Die klare Weltord-
nung in ihrem Sinn der Ordnung der Daseinsvoraussetzungen, nicht des Endziels,
steigert die Liebe zum Besonderen, ermöglicht die Mannigfaltigkeit des Ursprüngli-
chen im Medium eines Allgemeinen, das die selbstverständlichen Mittel an die Hand
gibt, aber das Leben nirgends erfüllt. Wohl ist Gefahr der Bodenlosigkeit und der Ver-
wandlung des Menschen in ein beliebig ersetzbares Atom oder Teilchen der Maschine,
Gefahr der inneren Aushöhlung zugunsten eines existenzlosen Lebens im nivellierten
Allgemeinen. Aber mit der Realisierung solcher Gefahren würde auch die Weltordnung
alsbald wieder zerfallen. Denn ihr Sinn kann nur erhalten werden, indem er von exi-
stentiellen Menschen in herber Bescheidung der Zwecksetzungen jederzeit neu gewon-
nen wird. Der Einzelne aber wird nur Existenz im Übernehmen seiner Herkunft. Es ist
das Verhängnis des Einzelnen - im guten wie im schlimmen -[,] welchem Volk er an-
gehört, wo und in welcher Situation er geboren wird. Was dieses Volk im Ganzen er-
möglicht durch sein Tun und Leisten, sein Unterlassen und Versagen, auch geschlos-
sene Klarheit seines Charakters oder die unbestimmte Vieldeutigkeit seines Wesens[,]
setzt dem Einzelnen selber Schranken zugleich mit den Aufgaben. Den tiefsten Grund
seines eigenen Volkes in der Verflechtung seiner Ursprünge und darin des Menschseins
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Druck der Kriegsanforderungen setzt. Die staatliche Gemeinschaft muss auf mensch-
liche Zwecke verzichten, um das Maximum militärischer Kraft zu gewinnen. Die Not-
wendigkeit der Selbstbehauptung erzwingt insbesondere die Einschränkung der Frei-
heit. Der Zweck der Kriegsorganisation fordert absoluten Gehorsam, Suspension aller
Kritik, Verzicht auf eigenes Mitwirken durch freies Denken, Sprechen, Handeln zugun-
sten absoluter Einordnung in das nichtgewusste Ganze, das nur Wenige denkend füh-
ren dürfen.
Das Weltreich gibt dagegen die grössten Chancen der Freiheit. Wie der Mensch
durch technisch-civilisatorische Entwicklung aus der Gebundenheit in tägliche Da-
seinssorge um die gröbsten Lebensbedingungen zur Musse des Besinnens und der gei-
stigen Schöpfung gelangt, so wird er durch die den Kampf der Staaten ausschaltende
Weltordnung zur Möglichkeit der Entfaltung seiner eigentlichen Freiheit gebracht.
Universale Ordnung und Freiheit des einzelnen Menschen stehen in Zusammenhang.
Überwindung sowohl der Daseinssorge wie der Selbstbehauptung als absoluter, aus-
schliessender Notwendigkeiten geben den Menschen als Menschen erst frei.
Für den abstrakten Gedanken und in der Abgleitung ist das nur der Zusammenhang
des leeren Allgemeinen mit der leeren Freiheit individueller Vereinzelung. In Wirk-
lichkeit kann es die Ausweitung des Menschen in das All seiner concreten Möglichkei-
ten sein. Er ist Staatsbürger der Welt, auf der Erde durch Reisen und Freizügigkeit all-
gegenwärtig, aber er ist dies nur in gliedhafter Einordnung auf Grund seiner
geschichtlichen Gebundenheit. Heimat, Volk, Kulturkreis und Welt sind die Stufen-
folge seines Angehörens zum Ganzen. Er ist nicht abstraktes Atom einer Milliarden-
masse, sondern ein geschichtlich besonderes Wesen an seinem Ort. Die klare Weltord-
nung in ihrem Sinn der Ordnung der Daseinsvoraussetzungen, nicht des Endziels,
steigert die Liebe zum Besonderen, ermöglicht die Mannigfaltigkeit des Ursprüngli-
chen im Medium eines Allgemeinen, das die selbstverständlichen Mittel an die Hand
gibt, aber das Leben nirgends erfüllt. Wohl ist Gefahr der Bodenlosigkeit und der Ver-
wandlung des Menschen in ein beliebig ersetzbares Atom oder Teilchen der Maschine,
Gefahr der inneren Aushöhlung zugunsten eines existenzlosen Lebens im nivellierten
Allgemeinen. Aber mit der Realisierung solcher Gefahren würde auch die Weltordnung
alsbald wieder zerfallen. Denn ihr Sinn kann nur erhalten werden, indem er von exi-
stentiellen Menschen in herber Bescheidung der Zwecksetzungen jederzeit neu gewon-
nen wird. Der Einzelne aber wird nur Existenz im Übernehmen seiner Herkunft. Es ist
das Verhängnis des Einzelnen - im guten wie im schlimmen -[,] welchem Volk er an-
gehört, wo und in welcher Situation er geboren wird. Was dieses Volk im Ganzen er-
möglicht durch sein Tun und Leisten, sein Unterlassen und Versagen, auch geschlos-
sene Klarheit seines Charakters oder die unbestimmte Vieldeutigkeit seines Wesens[,]
setzt dem Einzelnen selber Schranken zugleich mit den Aufgaben. Den tiefsten Grund
seines eigenen Volkes in der Verflechtung seiner Ursprünge und darin des Menschseins