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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0346
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Grundsätze des Philosophierens

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Zukunftsprogrammen. Die wirtschaftlichen Lehren des Merkantilismus, Liberalismus,
Socialismus und Kommunismus gehen von technischen Erwägungen über Arbeitsweise
und Arbeitsorganisation zu Erkenntnissen über den Zusammenhang von Arbeit, Erwerb
und Besitz (z.B. dass Arbeit, welche nur das Existenzminimum gewinnt, nicht zum Er-
werbe führen kann, also vom Vermögensbesitz ausschliesst, etwa bei Löhnen, die so ge-
halten werden, dass das Produkt der Arbeit den Arbeitern nur soweit zugute kommt, als
sie es brauchen3, um gerade leben zu können) und bis zu politisch-sociologischen To-
talanschauungen von der Ordnung des menschlichen Daseins überhaupt.
Wirtschaftliche Einrichtungen für den blossen Produktionszweck sind technische
und organisatorische; als Mittel für das Menschsein setzen sie das Produktionsziel un-
ter die Bedingung der Förderung des Menschseins aller Arbeitenden; als Mittel für die
Macht werden sie genutzt zur Stabilisierung von Abhängigkeitsverhältnissen. Immer
stehen sie aber unter den Bedingungen der faktischen Macht, mag der Staat die Con-
currenz frei geben oder ausschalten, sich auf Herstellung von Bedingungen (Zollgren-
zen, Währung usw.) beschränken oder die gesamte Produktion selbst unter seine Füh-
rung nehmen. -
Die Einrichtungen, die in bewusster Veranstaltung ihren Grund haben, lassen sich
nach drei Richtungen gliedern.
Erstens besteht eine Struktur des Ganzen, die Verfassung, welche in geschriebenen
Staatsverfassungen nur eine besondere Ausprägung und Fixierung gewinnt. Sie ist die
Ordnung der wirksam gütigen Bahnen, an die die beiden folgenden Ordnungen ge-
bunden sind.
Zweitens gibt es die Politik, welche durch jeweilige Akte das Dasein des Staats nach
aussen und innen behauptet, die Verwandlungen des Staates - und der Verfassung -
führt, die regelmässigen Funktionen, die Gesetze und besonderen Einrichtungen
schafft.
Drittens gibt es die besonderen Einrichtungen der Ordnung, die Gesetze, und
durch diese gelenkt die Verwaltung, die Rechtsprechung, die Bildung (Erziehung, öf-
fentliche Information, Unterricht, Ermöglichung von Forschung, Kunst, Dichtung).
Diese drei Richtungen wirken gegenseitig auf einander. Boden des gesamten jewei-
ligen Zustandes ist aber die Verfassung. Die Verfassung bestimmt den Geist jeder be-
sonderen Einrichtung, sei es in Gleichschaltung, sei es in Opposition, immer inbezug
auf sie. Der reale Träger allen Gemeinschaftslebens ist daher die innere Identificierung
der Menschen mit ihrer Verfassung, der Glaube an den Wert der Verfassung, das Durch-
drungensein von dem Wissen um ihre absolute Daseinsbedeutung, da schlechthin al-
les andere im Dasein von ihr abhängt. Alle Daseinsbedingungen wurzeln zuletzt in der
Art der Verfassung des Ganzen.

statt als sie es brauchen im Ms. und in der Abschrift Gertrud Jaspers als er es braucht
 
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