Grundsätze des Philosophierens
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Interessengruppen, Klassen, Ständen, Schichten). Man hat daher mit Recht gesagt (Lo-
renz von Stein): die Interessen beherrschen alle Ordnung der menschlichen Dinge.257
Sie herrschen auch ohne dass allgemein darüber nachgedacht wird (z.B. in der Entwick-
lung der Lehnsordnung). Sie steigern ihre Macht, wenn sie gemeinschaftlich bewusst
werden im Standesbewusstsein, Klassenbewusstsein, in der zweckhaften Interessenge-
meinschaft. Realer Faktor des Geschehens ist, was bewusst von Vielen und von den Mas-
sen aktiv - nicht blos im wünschenden Vorstellen - gewollt wird.
Aber die menschlichen Dinge werden doch auch noch von anderem als den blos-
sen Interessen beherrscht, vom Enthusiasmus, von Aufopferung, von gutem Willen,
von hohen Zielen der Verwirklichung in der Welt, die als gut an sich oder als gottge-
wollt ergriffen werden, von Illusionen und vom Wahn: also jedesmal von daseinsüber-
greifenden Antrieben und aus der Sache entgegenkommenden Aufgaben. Doch all dies
scheint wie vereinzelt und wie Ausnahme. Auf das Ganze in den grossen beherrschen-
den Zügen gesehen[,] herrschen die Interessen des Daseins in ihrer Verschiedenheit.
Das Andere gewinnt Macht in dem Masse[,] als es zugleich auch Interessen dient, sie
fördert, erglänzen lässt oder sie doch nicht stört. Der Grundzug des Massengeschehens
bleibt der Kampf der Interessen. Dagegen helfen keine guten Lehren. Nur um den Preis
baldiger Vernichtung gibt es ein Leben gleichsam im Körperlosen. Was real wird[,]
muss in der Realität der Daseinsinteressen seinen Leib gewinnen.
Fragt man, ob der Mensch gut oder böse sei, so ist unter dem erörterten Gesichts-
punkt die Antwort: Die Daseinssituation als solche bringt das Böse hervor, weil sie den
Kampf hervorbringt. Dieser entsteht[,] weil die Menschen notwendig ihren Daseinsin-
teressen folgen müssen. Weiter aber sind die in der Gesellschaft entstandenen Daseins-
situationen verschieden, sie geben dem Menschsein verschiedene Chancen. Das Böse
ist Folge der besonderen, ungünstigen Lage, das Gute Folge einer glücklichen Situa-
tion, beides ohne Schuld und ohne Verdienst.
Der Mensch als Naturanlage: Als das Entscheidende gilt die Natur des Menschen.
Die Daseinssituationen geben ihr nur Gelegenheit zu ihrer Auswirkung. Sogar dass die
Menschen ihren besonderen Daseinsinteressen durchwegbedingungslos folgen, ent-
springt nicht notwendig aus der Lage, sondern aus der Natur des Menschen, der als je-
der einzelne seine bedingungslose Daseinsbehauptung will.
Dass die Daseinsinteressen nicht das zuletzt allein Massgebende sind, zeigt sich an
der Gewalt der Antriebe, die zwar zum Teil, aber auch nur zum Teil den Daseinsinter-
essen dienen. Unter ihnen ist der Machtwille. Es ist[,] als ob wir Menschen gejagt wür-
den von der Peitsche des Willens zur Macht, in unübersehbaren Umsetzungen und
Verkleidungen, Ersatzbefriedigungen und Umkehrungen, wie es psychologisch mei-
sterhaft von Nietzsche geschildert worden ist. Würden alle Menschen gleich sein, so
würde der Wille zur Macht sie sogleich antreiben, einander überlegen zu werden im
Kampf. Sachlich notwendig zwar ist Macht in der Ordnung von Staat und Gesellschaft.
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Interessengruppen, Klassen, Ständen, Schichten). Man hat daher mit Recht gesagt (Lo-
renz von Stein): die Interessen beherrschen alle Ordnung der menschlichen Dinge.257
Sie herrschen auch ohne dass allgemein darüber nachgedacht wird (z.B. in der Entwick-
lung der Lehnsordnung). Sie steigern ihre Macht, wenn sie gemeinschaftlich bewusst
werden im Standesbewusstsein, Klassenbewusstsein, in der zweckhaften Interessenge-
meinschaft. Realer Faktor des Geschehens ist, was bewusst von Vielen und von den Mas-
sen aktiv - nicht blos im wünschenden Vorstellen - gewollt wird.
Aber die menschlichen Dinge werden doch auch noch von anderem als den blos-
sen Interessen beherrscht, vom Enthusiasmus, von Aufopferung, von gutem Willen,
von hohen Zielen der Verwirklichung in der Welt, die als gut an sich oder als gottge-
wollt ergriffen werden, von Illusionen und vom Wahn: also jedesmal von daseinsüber-
greifenden Antrieben und aus der Sache entgegenkommenden Aufgaben. Doch all dies
scheint wie vereinzelt und wie Ausnahme. Auf das Ganze in den grossen beherrschen-
den Zügen gesehen[,] herrschen die Interessen des Daseins in ihrer Verschiedenheit.
Das Andere gewinnt Macht in dem Masse[,] als es zugleich auch Interessen dient, sie
fördert, erglänzen lässt oder sie doch nicht stört. Der Grundzug des Massengeschehens
bleibt der Kampf der Interessen. Dagegen helfen keine guten Lehren. Nur um den Preis
baldiger Vernichtung gibt es ein Leben gleichsam im Körperlosen. Was real wird[,]
muss in der Realität der Daseinsinteressen seinen Leib gewinnen.
Fragt man, ob der Mensch gut oder böse sei, so ist unter dem erörterten Gesichts-
punkt die Antwort: Die Daseinssituation als solche bringt das Böse hervor, weil sie den
Kampf hervorbringt. Dieser entsteht[,] weil die Menschen notwendig ihren Daseinsin-
teressen folgen müssen. Weiter aber sind die in der Gesellschaft entstandenen Daseins-
situationen verschieden, sie geben dem Menschsein verschiedene Chancen. Das Böse
ist Folge der besonderen, ungünstigen Lage, das Gute Folge einer glücklichen Situa-
tion, beides ohne Schuld und ohne Verdienst.
Der Mensch als Naturanlage: Als das Entscheidende gilt die Natur des Menschen.
Die Daseinssituationen geben ihr nur Gelegenheit zu ihrer Auswirkung. Sogar dass die
Menschen ihren besonderen Daseinsinteressen durchwegbedingungslos folgen, ent-
springt nicht notwendig aus der Lage, sondern aus der Natur des Menschen, der als je-
der einzelne seine bedingungslose Daseinsbehauptung will.
Dass die Daseinsinteressen nicht das zuletzt allein Massgebende sind, zeigt sich an
der Gewalt der Antriebe, die zwar zum Teil, aber auch nur zum Teil den Daseinsinter-
essen dienen. Unter ihnen ist der Machtwille. Es ist[,] als ob wir Menschen gejagt wür-
den von der Peitsche des Willens zur Macht, in unübersehbaren Umsetzungen und
Verkleidungen, Ersatzbefriedigungen und Umkehrungen, wie es psychologisch mei-
sterhaft von Nietzsche geschildert worden ist. Würden alle Menschen gleich sein, so
würde der Wille zur Macht sie sogleich antreiben, einander überlegen zu werden im
Kampf. Sachlich notwendig zwar ist Macht in der Ordnung von Staat und Gesellschaft.