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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0552
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Grundsätze des Philosophierens

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wäre auf seinen Wegen nie zustande gekommen. Aber Bacon hat, in einer der Renais-
sance eigenen Begeisterung für das Neue, sich den Gedanken von dem Wissen als
Macht, von ungeheuren technischen Möglichkeiten, von Aufhebung der Illusionen
zugunsten der verständigen Erfassung der Realität hingegeben.
Das 17. Jahrhundert bringt die Philosophie der rationalen Konstruktion. Es entste-
hen grosse Systeme in sauberster logischer Entwicklung. Es ist, als ob man in reinere
Luft käme, dafür verschwindet stillschweigend die anschauliche Fülle, die wirksame
Bilderwelt. Die moderne Wissenschaft ist da, sie wird Vorbild.
Descartes ist der Begründer dieser neuen philosophischen Welt, neben ihm Hobbes.
Descartes ist das Verhängnis in der Verkehrung von Wissenschaft und Auffassung der
Wissenschaft geworden. Wegen der Folgen und wegen des in der Sache naheliegen-
den Grundfehlers ist er noch heute zu studieren, um den Weg zu kennen, der zu ver-
meiden ist. Hobbes entwirft zwar ein System des Seins, aber seine Grösse liegt in der
politischen Konstruktion, deren grossartige Konsequenz Linien des Daseins zeigt, die
in solcher Helligkeit hier zum ersten Mal und für immer bewusst wurden.
Spinoza ist der Metaphysiker, der mit überlieferten und Cartesianischen Begriffen
eine philosophische Glaubenshaltung zum Ausdruck bringt, nicht original in dem,
was ihn Scholastik, Descartes und Hobbes gelehrt haben, aber original in der meta-
physischen Stimmung, die ihm allein damals eigen war und die ihm bis heute - als ein-
zigem3 aus jenem Jahrhundert - eine philosophische Gemeinde anhangen lässt.
Pascal ist der Gegenstoss gegen die Verabsolutierung der Wissenschaft und des Sy-
stems seitens eines Denkens, das beide völlig beherrscht, die gleiche Sauberkeit, aber
die grössere Wahrhaftigkeit und Tiefe hat.
Leibniz, universal wie Aristoteles, reicher als alle Philosophen dieses Jahrhunderts
an Inhalten und an Erfindungen, immer schaffend, immer klug, ist doch in seiner Me-
taphysik ohne den grossen Zug einer menschlich durchdringenden Grundverfassung.
Das 18. Jahrhundert zeigt zum ersten Mal einen breiteren Strom philosophischer
Literatur für ein Publikum. Es ist das Jahrhundert der Aufklärung.
Die englische Aufklärung hat in Locke ihre erste repraesentative Gestalt. Er gab der
englischen Welt, die der Revolution von 1688 erwuchs [,] den geistigen Boden, auch im
politischen Denken. Hume ist der überlegene Zergliederer, dessen Verständigkeit trotz
aller Langeweile für uns heute nicht platt ist. Seine Skepsis ist die Härte und Redlich-
keit eines Mutes, der es wagt, an den Grenzen dem Unbegreiflichen ins Auge zu sehen,
ohne von ihm zu reden.
In Frankreich und auch in England gab es die aphoristischen und essayistischen
Schriften der Kenner von Welt und Menschen, die man »Moralisten« nennt. Ihre Ken-
nerschaft will im Psychologischen zugleich zu einer philosophischen Haltung erzie-

statt einzigem im Ms. und in der Abschrift Gertrud Jaspers einzigen
 
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