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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0554
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Grundsätze des Philosophierens

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Nietzsche: Endlose Reflexion, Beklopfen und Befragen von allem, Aufwühlena ohne
Boden zu finden äusser in neuen Absurditäten, die grenzenlose Frage. Gewaltsame An-
tichristlichkeit.
Die modernen Wissenschaften werden nicht in der Breite ihres Betriebes, sondern
in einzelnen, aber zahlreichen Persönlichkeiten Träger einer philosophischen Hal-
tung. Nur beispielsweise seien einige Namen genannt.
Staats- und Gesellschaftsphilosophie:13 Tocqueville begreift den Gang der modernen
Welt zur Demokratie durch sociologische Erkenntnis des ancien regime, der französi-
schen Revolution, der Vereinigten Staaten von Amerika. Sein Sinn für die Würde des
Menschen und für Autorität lässt ihn realistisch fragen nach dem Unumgänglichen
und Möglichen. Er ist ein Mann und Forscher ersten Ranges. Lorenz von Stein erleuch-
tet auf Grund der politischen Taten und Gedanken der Franzosen seit 1789 die Folge der
Ereignisse bis in die vierziger Jahre in der Polarität von Staat und Gesellschaft. Sein Blick
richtet sich auf die Schicksalsfrage Europas. Marx nutzt diese Erkenntnisse, entfaltet sie
in wirtschaftlichen Konstruktionen, versetzt sie mit dem Hass gegen alles Bestehende,
und erfüllt sie mit chiliastischen Zukunftszielen. Den benachteiligten und hoffnungs-
losen Proletariern aller Länder soll ein Licht der Hoffnung leuchten, das sie einigt zu
einer Macht, welche imstande ist, die wirtschaftlich-sociologisch-politischen Zustände
umzustürzen, um eine Welt der Gerechtigkeit und Freiheit aller zu schaffen.
Geschichtsphilosophie: Ranke entwickelt die historisch-kritischen Methoden im
Dienste universalhistorischer Anschauung, die in der Atmosphäre Hegels und Goe-
thes bei scheinbarer Ablehnung der Philosophie selber eine Philosophie ist. Jakob
Burckhardt fühlt sich gleichsam als Priester geschichtlicher Bildung, zeigt das Grosse
und Beglückende geschichtlicher Erinnerung, das Heil und Unheil der Welt aus der
pessimistischen Grundhaltung, am Ende einer Welt zu stehen, der allein noch in sol-
cher Erinnerung das Herrliche beschert ist. Max Weber lockert alle Befangenheiten,
erforscht mit allen Mitteln das Reale der Geschichte, macht die Zusammenhänge in
einer Weise deutlich, dass die meiste frühere Geschichtsschreibung wegen ihrer Un-
bestimmtheit in den Kategorien ihrer Auffassung blass und ungenügend erscheint. Er
entwickelt theoretisch und praktisch die ganze Spannung zwischen Werten und Er-
kennen, schafft gerade durch die bescheidene Prägung des wirklichen Erkennens un-
ter Verzicht auf alles Ungefähre und Totale den Raum für alle Möglichkeiten.
Naturphilosophie: K. E. von Baer gewährt auf den Wegen entdeckender Forschung
eine grossartige Anschauung des Lebendigen in seinen Grundcharakteren. Darwin,

a Aufwühlen nach der Abschrift Gertrud Jaspers statt aufwühlen im Ms.
t> statt Staats- und Gesellschaftsphilosophie: im Ms. und in der Abschrift Gertrud Jaspers Staats- und
Gesellschaftsphilosophie:
 
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