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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0556
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Grundsätze des Philosophierens

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ein gleiches Gewicht da zu sein scheint. Das ist für unsa nicht der Fall. Die unersetzli-
chen Blicke, die uns das asiatische Denken gewährt, können nicht darüber täuschen,
dass die ganze Fülle, dass alle uns wirklich beseelenden Gehalte uns noch aus abend-
ländischem Denken kommen. Hier allein ist die Klarheit der Unterscheidungen, die
Bestimmtheit der Fragestellung, der Bezug auf Wissenschaften, der Kampf der ins ein-
zelne gehenden Diskussionen, der lange Atem der Gedankenbewegungen, wie sie uns
unerlässlich sind.
III. In Religion, Dichtung und Kunst verborgene Philosophie
Zur Aneignung der Gehalte der Philosophie in ihrer Geschichte gehört mehr als die
Lektüre der Philosophen im engeren Sinne. Äusser der Klarheit über die Entwicklung
der Wissenschaften ist unerlässlich, sich von den hohen Werken der Religion, der
Dichtung, der Kunst ergreifen zu lassen. Man soll nicht immer anderes und vielerlei
lesen, sondern in das Grosse sich anhaltend und immer wieder noch einmal vertiefen.
Religion: Die Bibel
Die in religionsgeschichtlichen Lesebüchern gesammelten Texte
Dichtung: Homer
Äschylos, Sophokles, Euripides
Dante
Shakespeare
Goethe
Kunst: Lionardo
Michelangelo
Rembrandt
b. Die grossen Werke. - Einige wenige Werke der Philosophie sind in dem Sinn ihres
Gedankens so unendlich wie grosse Kunstwerke. In ihnen ist mehr gedacht, als der Au-
tor selber wusste. Zwar ist überhaupt in jedem Gedanken angelegt, was der Denkende
an Consequenzen nicht sogleich übersieht. Aber in den grossen Philosophien ist es
die Totalität selber, die das Unendliche in sich birgt. Es ist das in allem Widersprüch-
lichen erstaunlich Einstimmende, derart[,] dass die Widersprüche selber zum Aus-
druck der Wahrheit werden. Es ist eine Verflochtenheit der Gedanken, die der Klarheit
der Vordergründe ein Unergründliches hell werden lassen. Es sind Wunderwerke, die
man sieht, je geduldiger man interpretiert. So sind z.B. die Werke Platons, die Werke
Kants, Hegels Phaenomenologie des Geistes - aber mit Unterschieden: bei Plato in hell-
ster Bewusstheit die abgewogene Form, die Vollendung, das hellste Wissen um die Me-

für uns im Ms. Einf.
 
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