Metadaten

Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0037
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XXXVI

Einleitung des Herausgebers

stimmte Ideologien ohne Rücksicht auf Wahrheit - wurde zu Jaspers’ Lebzeiten auch
im Sinne von Werbung oder Reklame verwendet. In der Verlagskorrespondenz kommt
dieser Begriff von Propaganda verständlicherweise häufig vor. Er umfasst alle Maß-
nahmen zur Verbreitung eines Buches und differenziert sie nach drei Funktionen:
Propaganda macht bekannt, dass es das Buch gibt, vermittelt Informationen zu sei-
nem Inhalt und nennt Gründe, warum es gelesen (und damit gekauft) werden sollte.
An diesen geistig-literarischen, nicht an den politisch-ideologischen Begriff knüpft
die Propaganda für die Wahrheit an. In den Verlagsbriefen wird allerdings deutlich,
dass Jaspers ein ambivalentes, zunächst durchaus distanziertes Verhältnis dazu hat.
Er weiß, dass die geistig-literarische Propaganda in der modernen Massengesellschaft
unverzichtbar ist, will sich aber nicht allzusehr damit abgeben. So schrieb er kurz vor
Erscheinen seiner Nietzsche-Monographie an Konrad Grethlein, den Abteilungslei-
ter der Sammlung Göschen im Verlag Walter de Gruyter: »Die Propaganda ist ja in un-
serer Zeit der Faktor, ohne den kein Bucherfolg mehr erzielt werden kann. Froh bin
ich, dass ich meine Sache bei Ihnen in guten Händen weiss und darüber nicht nach-
zudenken brauche.«25 Welche Folgen dagegen eine schlechte oder gar nicht vorhan-
dene Propaganda haben kann, sollte Jaspers später in der Nachkriegszeit erfahren.
Den mäßigen Absatz seiner Schuldfrage sowie der Sechs Essays Hannah Arendts lastete
er dem Verleger an: »Lambert Schneider versteht sich nicht auf Propaganda. Das hat
mir bei Ihren Essays immer sehr leid getan. Wir wußten das nicht, als wir alle damals
bei ihm druckten. Auch meine >Schuldfrage< ist zu gutem Teil dadurch versunken.«26
Aber Propaganda für ein Buch ist noch nicht Propaganda für die Wahrheit, auch
dann nicht, wenn in dem Buch ein Wahrheitsanspruch erhoben wird. Im Gegenteil:
Da nach gängiger Auffassung die Wahrheit für sich selbst spricht, ist man geneigt,
eine diesbezügliche Propaganda als peinlich zu empfinden. Jedenfalls ging es Jaspers
lange Zeit so. An Friedrich Witz vom Artemis-Verlag, in dem gerade Vom Ursprung und
Ziel der Geschichte erschienen war, schrieb er etwa: »Zunächst habe ich Ihnen noch
herzlich zu danken für die intensive Propaganda, die Sie meinem letzten Buche zu-
mal durch das Schaufenster haben angedeihen lassen. Ein klein wenig schämt sich
der Autor und freut sich doch, dass der Verleger tut, was heute für die Verbreitung ei-
nes Buches unerlässlich ist.«27 In einer systematischen Reflexion über die »Täuschung

25 K. Jaspers an K. Grethlein, 10. April 1936, in diesem Band, S. 113.
26 K. Jaspers an H. Arendt, 23. August 1952, in: dies.: Briefwechsel 1926-1969, 232. Vgl. H. Arendt:
Sechs Essays, Heidelberg 1948 (Schriften der Wandlung 3). - Im Jahr 1946 hingegen empfahl Jas-
pers dem Südverlag noch wärmstens Lambert Schneider: Dieser sei »ein ungewöhnlicher Ver-
leger, der unter beherrschenden geistigen Gesichtspunkten arbeitet.« (K. Jaspers an J. Weyl,
21. August 1946, in diesem Band, S. 483). - Siehe auch den Briefwechsel zwischen Jaspers und
Schneider, in diesem Band, S. 260-264.
27 K. Jaspers an F. Witz, 21. September 1949, ebd., 10.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften