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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0202
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Karl Jaspers - de Gruyter

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Zur »Weber-Serie« möchte ich mich nun aber heute wie folgt äussern:
1. ) ad Plato: Alles, was Sie zu Frank sagen, hat mich mächtig interessiert und lässt
mich diesen Fall nun in einem wesentlich anderen Licht sehen. Wenn ich trotzdem
dafür plädiere, dass wir zunächst noch in der Richtung auf Plato von allen Schritten
absehen - als erstes fasse ich dann eventuell meinerseits eine Reise nach Marburg ins
Auge -, so deshalb, weil ich zunächst erst alle Kraft und Zeit auf einen anderen, wie
mir scheint, wohl noch wichtigeren und deshalb mir zunächst noch dringenderen
Fall konzentrieren möchte: auf Nietzsche.
2. ) ad Nietzsche: Hier muss ich Sie wohl insofern etwas enttäuschen, als mir bis
jetz[t] der »Lichtgedanke«, auf den ich warte, noch nicht hat kommen wollen. Immer
noch hoffe ich, den richtigen, so weit wie möglich »adäquaten« Mann in den Reihen
der Philosophen zu finden, suche mich allerdings auch halbwegs mit dem Gedanken
vertraut zu machen, wenn es anders absolut nicht gehen will, mich nach einem »Aus-
senseiter« umzusehen. »Aussenseiter« in dem Sinn, wie es Bertram wäre;201 womit in-
dessen in keiner Weise gesagt sein soll, dass ich diesen selber ins Auge fassen möchte;
ich meine also heute Bertram lediglich als »Typ« des Aussenseiters im Vergleich zu
den »richtiggehenden« Philosophen, keineswegs als Person. Im übrigen will mir
scheinen, der Nietzsche-Autor sollte als »Figur« so »glänzend« und »hinreissend« wie
möglich sein. Schliesslich ist Nietzsche doch der vielleicht ausgesprochenste »Dich-
tertyp« unter den Philosophen, etwa im Gegensatz zu Kant. Insofern möchte ich,
wenn wir schon keinen »Philosophen« finden, der Nietzsche als Philosoph adäquat
herausbringt, eine gewisse Möglichkeit einer Kompensierung darin sehen, wenn ei-
ner sich finden würde, der ihn als »Dichterphilosophen« einigermassen herausbrin-
gen könnte; also mit einem Akzent auf der Komponente in Nietzsche, die bei ihm zu
der des reinen Philosophen hinzutritt und gerade Nietzsches hinreissende »Anzie-
hungskraft« auf die Jugend doch wesentlich mitbedingt. Schliesslich ist Nietzsche für
mein Gefühl nicht blos der ausgesprochene »Dichtertyp« unter den Philosophen, son-
dern zugleich auch der ausgesprochenste »Jugendtyp«, sofern er »jung« geblieben ist,
bis zuletzt, wieder im Gegensatz zu Kant, der schon, wenn ich ihn richtig sehe, in der
Wiege ein Greis war.202 - Wie schade, dass Sie selber augenscheinlich nicht mehr glau-
ben, den »Jugendschwung« noch einmal finden zu können, der Sie vor 15 Jahren zu
Nietzsche getrieben. Aber wenn ich einmal Ihr damaliges Msc. lesen dürfte, würde
ich das als die höchste »Auszeichnung« betrachten, die ich mir irgend von Ihnen er-
bitten könnte.
Nehmen Sie aber bitte alles das, was ich Ihnen hier vorschwärme, nur als Ausbruch
meiner eigenen - meinen Jahren schlecht mehr anstehenden - »Nietzsche-Begeiste-
rung«. All das steht in keiner Weise einer nüchternen Erwägung im Wege, ob nicht
vielleicht Werner Brock, wenn ich ihn kennen lerne, sich doch als der Mann erweist,
den wir hier brauchen.
 
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