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Karl Jaspers - Piper Verlag (1954)
und Werk ausgehend, bedeutende Aspekte entwickelt. Ich stelle mir vor, daß das Buch
für die Weltgeschichte der Philosophie nicht nur die spezielle Bedeutung der Entla-
stung des großen Werks hinsichtlich Schelling selbst haben wird, sondern daß das
Schelling-Buch - als Ihre erste neue, großangelegte Interpretation eines Philosophen
nach Kierkegaard, auch schon thematisch und methodisch eine Art Vorbereitung zur
Weltgeschichte als Unternehmen überhaupt sein wird.
Wenn wir von Ihnen das Manuskript bis Ende Januar (ev. auch erst Anfang
Februar) erwarten dürfen, so würde es sich unsere Herstellungsabteilung zutrauen,
das Buch auch unter Zugrundelegung eines Umfangs wie von »Ursprung und Ziel der
Geschichte«615 bis Ende Mai fertig zu stellen. Dies würde ich sogar für einen günstigen
Termin halten. Wir haben nicht zuletzt erst mit Ihrem eigenen letzten Buch, der »Ent-
mythologisierung«, gute Erfahrungen mit einem verhältnismäßig schon sommerli-
chen Frühjahrs-Termin gemacht (die »Entmythologisierung« erschien sogar erst Mitte
Juni). Dies ist nämlich die an sich sonst im Buchhandel »stille« Saison, in der die Sor-
timenter mehr Zeit haben als sonst, sich für Neuerscheinungen besonderer Art, die
außerhalb des belletristischen »Geschenk-Buch-Klimas« stehen, aktiv zu verwenden.
Ich erwarte heute schon mit Spannung Ihre für Anfang Dezember angekündigte
definitive Nachricht. Diese hätte ich sehr gern nicht später, da wir das Frühjahrspro-
gramm noch im Dezember festlegen müssen; gleich nach Neujahr kommen die Ver-
treter zur Frühjahrs-Konferenz hierher, um dann schon etwa am 10.Januar, mit Infor-
mationsmaterial ausgerüstet, ihre Besuchsreisen zu beginnen.
Meine Frau und ich hatten die Freude eines Zusammenseins mit Herrn Oboussier.
Er lud für einen Liederabend von Erna Berger ein; sie sang drei Lieder, die Oboussier
schon 1938 für sie komponierte. Es war eine Uraufführung, für Oboussier zu unserer
Freude mit starkem Erfolg.616 In der Programmfolge waren die Lieder sehr gut plaziert,
auch dadurch, daß die Berger sonst sehr ruhige, innige Lieder sang (von Schubert,
Schumann, Brahms, Hugo Wolf und Debussy), sodaß die drei Gesänge Oboussiers,
mit farbigen Melismen und dramatischen Höhepunkten ausgestattet, eindrucksvoll
gegenüber ihrer Musik-Umgebung kontrastierten.
Oboussier erzählte uns auch über Ragaz, die starke Wirkung Ihres Vortrags und Ihr
gutes persönliches Verstehen mit Emil Staiger am Schluß, nach vorhergegangener ent-
schiedener öffentlicher Kritik.617
Ich weiß nicht, ob Sie die Monatsschrift »Merkur« noch abonnieren. Im letzten
September-Heft fand ich bedeutungsvoll einen Aufsatz von Arnold Toynbee »Weltre-
ligionen und Weiteinheit«.618 Diese Darstellung des grundlegenden Unterschieds zwi-
schen westlicher Glaubenshaltung (Judentum - Christentum - Islam - Kommunis-
mus) und östlicher (Hinduismus, Buddhismus) ist sicher nicht ganz neu gesehen. Ich
fand das Thema aber klar, einsichtig dargestellt, im Hauptakzent auf die welthistori-
schen Folgen des jüdisch-christlichen usw. Absolutheitsanspruchs, eben des ja stets
Karl Jaspers - Piper Verlag (1954)
und Werk ausgehend, bedeutende Aspekte entwickelt. Ich stelle mir vor, daß das Buch
für die Weltgeschichte der Philosophie nicht nur die spezielle Bedeutung der Entla-
stung des großen Werks hinsichtlich Schelling selbst haben wird, sondern daß das
Schelling-Buch - als Ihre erste neue, großangelegte Interpretation eines Philosophen
nach Kierkegaard, auch schon thematisch und methodisch eine Art Vorbereitung zur
Weltgeschichte als Unternehmen überhaupt sein wird.
Wenn wir von Ihnen das Manuskript bis Ende Januar (ev. auch erst Anfang
Februar) erwarten dürfen, so würde es sich unsere Herstellungsabteilung zutrauen,
das Buch auch unter Zugrundelegung eines Umfangs wie von »Ursprung und Ziel der
Geschichte«615 bis Ende Mai fertig zu stellen. Dies würde ich sogar für einen günstigen
Termin halten. Wir haben nicht zuletzt erst mit Ihrem eigenen letzten Buch, der »Ent-
mythologisierung«, gute Erfahrungen mit einem verhältnismäßig schon sommerli-
chen Frühjahrs-Termin gemacht (die »Entmythologisierung« erschien sogar erst Mitte
Juni). Dies ist nämlich die an sich sonst im Buchhandel »stille« Saison, in der die Sor-
timenter mehr Zeit haben als sonst, sich für Neuerscheinungen besonderer Art, die
außerhalb des belletristischen »Geschenk-Buch-Klimas« stehen, aktiv zu verwenden.
Ich erwarte heute schon mit Spannung Ihre für Anfang Dezember angekündigte
definitive Nachricht. Diese hätte ich sehr gern nicht später, da wir das Frühjahrspro-
gramm noch im Dezember festlegen müssen; gleich nach Neujahr kommen die Ver-
treter zur Frühjahrs-Konferenz hierher, um dann schon etwa am 10.Januar, mit Infor-
mationsmaterial ausgerüstet, ihre Besuchsreisen zu beginnen.
Meine Frau und ich hatten die Freude eines Zusammenseins mit Herrn Oboussier.
Er lud für einen Liederabend von Erna Berger ein; sie sang drei Lieder, die Oboussier
schon 1938 für sie komponierte. Es war eine Uraufführung, für Oboussier zu unserer
Freude mit starkem Erfolg.616 In der Programmfolge waren die Lieder sehr gut plaziert,
auch dadurch, daß die Berger sonst sehr ruhige, innige Lieder sang (von Schubert,
Schumann, Brahms, Hugo Wolf und Debussy), sodaß die drei Gesänge Oboussiers,
mit farbigen Melismen und dramatischen Höhepunkten ausgestattet, eindrucksvoll
gegenüber ihrer Musik-Umgebung kontrastierten.
Oboussier erzählte uns auch über Ragaz, die starke Wirkung Ihres Vortrags und Ihr
gutes persönliches Verstehen mit Emil Staiger am Schluß, nach vorhergegangener ent-
schiedener öffentlicher Kritik.617
Ich weiß nicht, ob Sie die Monatsschrift »Merkur« noch abonnieren. Im letzten
September-Heft fand ich bedeutungsvoll einen Aufsatz von Arnold Toynbee »Weltre-
ligionen und Weiteinheit«.618 Diese Darstellung des grundlegenden Unterschieds zwi-
schen westlicher Glaubenshaltung (Judentum - Christentum - Islam - Kommunis-
mus) und östlicher (Hinduismus, Buddhismus) ist sicher nicht ganz neu gesehen. Ich
fand das Thema aber klar, einsichtig dargestellt, im Hauptakzent auf die welthistori-
schen Folgen des jüdisch-christlichen usw. Absolutheitsanspruchs, eben des ja stets