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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.71782#0362
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Karl Jaspers - Piper Verlag (1956)

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153 Klaus Piper an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, aufBriefpapier des R. Piper & Co Verlags München
EV: K. Piper: »Schriften und Briefe«, hg. von R.-P. Märtin u. E. R. Piper, München, Zürich 1991, 179-184.
6. Oktober 1956
Lieber, sehr verehrter Herr Professor!
Am Mittwoch abend hörten meine Frau und ich zusammen mit Herrn Dr. Rossmann
am Rundfunk Ihre Stimme - und den Vortrag über »Die Atombombe und die Zukunft
des Menschen«.792 Die Wirkung war außerordentlich stark. Die ungemeine Klarheit
und nachdrückliche Konsequenz, mit der Sie die auf allen Menschen lastende Schick-
salsfrage ihrer Verschleierungen entkleiden und den Kern bloßlegen, hielten uns für
diese Stunde vollkommen in Bann. Eine zentrale Stelle war für mich dort, wo Sie sag-
ten, daß »alle Bestrebungen, die nur die Atombombe als solche verwerfen, ohne sie
im Gesamtzusammenhang der realen Handlungen der Staaten und der offenbaren
Antriebe der meisten Menschen zu sehen, vergeblich und gefährlich« sind793 (ich
habe soeben auf meine Bitte den Text des Vortrags vom Bayerischen Rundfunk erhal-
ten). Diese unerbittliche Einbettung der Gefahr des Atomkrieges und der Vernichtung
des menschlichen Lebens in die gesamte gesellschaftliche und individuelle Situation
der gegenwärtigen Menschheit habe ich bisher nirgends in solcher Eindeutigkeit ge-
sehen.
Meine Frage ist, ob Sie bereit wären, den Vortrag unserem Verlag als Einzelver-
öffentlichung zu übertragen. Ich denke an eine Broschüre wie »Vom europäischen
Geist«. Der Umfang wäre allerdings geringer: Das Rundfunk-Manuskript umfaßt 18
Seiten, der »Europäische Geist« bei ungefähr gleicher Textmenge pro Seite 27 Seiten. -
Herr Dr. Rossmann meinte, Sie könnten geneigt sein, für den Druck an einigen Stellen
des Vortrags noch weiter auszugreifen. Es käme aber auch die Hinzunahme Ihres Hei-
delberger Vortrags über den Einzelnen und das Kollektiv, der in dieselben Grundfra-
gen münde, in Betracht.794 Mir wäre im Prinzip, da die Veröffentlichung ganz real zur
Erzielung eines höheren »Atombomben-Bewußtseins« helfen sollte, die Konzentrie-
rung auf den Vortrag über die Atombombe allein lieber. Denn es ist eine buchpsycho-
logische Erfahrung, daß die Koppelung von zwei Vorträgen oder Essays die Wirkung
abschwächt, weil das Interesse nicht eindeutig auf eine Sache hingelenkt wird. Ob eine
Hineinarbeitung bestimmter Teile aus dem Vortrag über den Einzelnen und das Kollek-
tiv in den Vortrag über die Atombombe in Betracht käme, wage ich nicht zu beurteilen.
Worauf es mir ankommt, ist: Diese Ihre Gedanken weisen selbst so weit hinaus
über bloßen »Realismus« oder »Moralismus«, die innere Haltung des Vortrags ist so
zwingend, daß ich mir von einer billigen Einzel-Publikation in kartonierter Ausgabe
eine sehr wichtige öffentliche Wirkung verspreche. Wenn Sie den Vortragstext unver-
ändert lassen würden, so könnte er, bei größerer Type als im »Europäischen Geist« und
 
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