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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Karl Jaspers - Piper Verlag (1960)

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sie genau so Geschehende. Philosophie muss wohl ein gewisses Element der Konfor-
mität mit dem Realen haben, um im schöpferischen Widerspruch zu diesem zur Wir-
kung zu gelangen.
Z.) »Reif sein ist alles ...«.Wird die Stunde kommen - nach welchen Veränderun-
gen der gegenwärtigen Weltlage denkbar? -, in der für die Erringung der Freiheit für
die 17 Millionen in der »Zone« die - heute nicht erkennbare - Chance einer Verwirk-
lichung herangewachsen ist? Die optimistische Annahme: der kommunistische Stil
im Osten entwickelt sich weiterhin zum Relativ-»Positiven«;"81 die politisch-morali-
sche und die ökonomisch-gesellschaftliche Stärke des Westens nimmt langsam, aber
ständig zu; in der Folge beider Entwicklungen ist der »Kairos« für das »grosse Deutsch-
land-Geschäft« mit Moskau denkbar. - Der negative Aspekt: die Ent-Dynamisierung
der kommunistischen Zentrale wird so lange Zeit benötigen, dass die »kapitalisierte«
Gegenwartschance - des »Geschäfts« - gleich Null ist; die Aufgabe der komm. Macht-
Festung »DDR« ist prinzipiell aber, mit den »Augen Moskaus gesehen«, nur denkbar,
wenn das Fern- und Hauptziel der totalit. Welteroberung aufgegeben wird oder wenn
die Festung »DDR« überflüssig geworden ist (falls ganz Deutschland oder Europa kapi-
tuliert hat).
8.) Das zentrale Problem bleibt: Welche Differenzen bleiben zwischen »Freiheit«
und »Wiedervereinigung«, wenn man die gegenwärtigen Aspekte der politischen Rea-
lität zuende denkt? Das Modell Österreich ...? Dort war völkerrechtlich, soviel ich
weiss, sicher örtlich im politischen Gesamtfeld eine andere Situation.
Dass unabhängig von den politischen Machtgegebenheiten die Freiheit den Vor-
rang vor einer staatlichen Einheits-Wiederherstellung, deren realer Inhalt ja die Frei-
heit in erster Linie wäre, besitzt, - darin bin ich mit Ihnen natürlich völlig einig.
Eben bringt unser gemütlicher dänischer Postbote die FAZ vom 17. mit dem Wort-
laut Ihres Fernseh-Interviews mit Thilo Koch."82 Ich freue mich sehr, dass Sie, wie Sie
im Nachwort mitteilen, sich schon zur grösseren Darstellung entschlossen haben."83
Sie werden das Auszuführende vielleicht nicht in nur 30-40 Seiten sagen können?
Ein möglichst gedrängter Umfang - ein noch »schlankes« Buch - wäre natürlich gut,
damit eine intensivste, denkbar weitdringende Verbreitung möglich ist. Natürlich
wird es mir wieder eine höchst wichtige, ehrenvolle Verleger-Aufgabe sein, für diese
Veröffentlichung mit meinen Mitarbeitern nachdrücklich einzutreten. Die aufklä-
rende, erweckende, zu einem mündigeren Denken aufrüttelnde Wirkung der Schrift
müsste - die geschichtlichen und politisch-geistigen Wurzeln des aktuellen Dilemmas
unnachsichtig blosslegend - die beiden »weichen«, gefährlichen »Stellen« im öffent-
lichen (und privaten) Bewusstsein des heutigen Deutschlands treffen und angreifen:
die mit Unrast und Hektik gepaarte Passivität in der Gesinnung des bloss persönlichen
Erfolgsstrebens und die unter den Intellektuellen nach wie vor so weit verbreitete
Mischung aus undurchdachtem, ressentimenthaftem und sentimentalem Nationalis-
 
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