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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Karljaspers - Piper Verlag (1962)

Dass mein neues Buch einen relativ guten Absatz findet, freut mich.1400 Ein Wider-
hall ist noch nicht da (äusser im Gespräch mit Dr. Zahrnt, der jede Seite gelesen hatte).
Ich frage mich: wo sind die Kritiker, die eine Besprechung aus dem Kern der Sache zu
leisten fähig sind: doch wohl nur solche, die mit der Besprechung kein Geld zu verdie-
nen brauchen, denn Zeit und Kraft für eine solche Arbeit sind beträchtlich.
Ich arbeite, wie Sie voraussetzen, am zweiten Band meiner »grossen Philosophen«.
Jetzt will ich mich nicht mehr unterbrechen lassen durch Annahme anderer Auf-
gaben. Politisch will ich, trotz aller Erregung, die mich immer wieder ergreift, mei-
nen Mund halten. Rundfunkvorträge und andere Öffentlichkeit müssen ruhen. Ein
Werk fordert Concentration. Das andere sind ja doch am Ende »Allotria«, so gern ich
immer auf sie einging und eingehen möchte. Zur Zeit bin ich beim Cusanus und lebe
im 15. Jahrhundert.1401 Ich nehme diesen Philosophen, der für den ersten Band vor-
gesehen war,1402 für den zweiten. Man wird wahrscheinlich 1964 seinen 500jährigen
Todestag feiern: die katholische Welt hat in den letzten dreissig Jahren eine grosse
Literatur über ihn hervorgebracht, die zum Teil lohnend ist. Dort hat er an Geltung
gewonnen, während er Jahrhunderte lang als »Pantheist« verdächtig und faktisch ver-
gessen war, bis seit Mitte des 19.Jahrh., zunächst sehr spärlich, einige fromme Katho-
liken auf ihn zurückkamen und ihn neu entdeckten, bis 1920 ohne Erfolg in breiteren
Kreisen. Ein merkwürdiges Phaenomen! Und ebenso merkwürdig: der einzige grosse
Philosoph, der sein Leben lang auf der Höhe der Politik aktiv tätig war, unter unsäg-
lichen Anstrengungen, ständigen Enttäuschungen, aber, weil in einer grossartigen
frommen Metaphysik zu Hause, eigentlich ohne jede Verzweiflung, nur manchmal
ungeduldig, und immer mit der Klosterzelle (für ihn bereit in Tegernsee) im Hinter-
grund, falls er sich zurückziehen möchte. Aber das tat er nie, sondern starb unter deso-
laten politischen Umständen in Italien auf der Reise, drei Tage nach ihm sein Freund
Pius II. (Enea Silvio Piccolomini), in dem phantastischen Unternehmen eines Kreuz-
zugs gegen die Türken. Cusanus billigte den Kreuzzug nicht, sondern schrieb zur Eini-
gung des Christentums mit dem Islam.1403
Von Ihrer Tochter Regina bekamen wir die Heiratsanzeige. Meine Frau schreibt an
Ihre Frau. Wir wünschen alles Gute.1404
Für das neue Jahr alles Gute für Sie, Ihre Frau und Ihre Familie, für den Verlag und
darin für unsere gemeinsamen Unternehmungen.
Herzlich Ihr Karl Jaspers
 
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