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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.71782#0615
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Karl Jaspers - Piper Verlag (1966)

neter über diese Einmütigkeit kritisieren, ohne daß Sie irgendwo, wie ich finde, verlet-
zen. Sie berichtigen vielmehr unter der Grundforderung der Wahrhaftigkeit die hal-
ben und falschen Attitüden und Gefühle.
Ich habe zum zweiten Stück keine Einzelanmerkungen, darf aber vielleicht als
zusammenfassende Gedanken im Ergebnis der Lektüre etwas sagen. Dies betrifft aber
ebenso auch den Gesamteindruck aus dem großen dritten Stück des Buches:
Die gegenwärtige Situation der Bundesrepublik ist die, daß alle politischen Grup-
pen versagen, alle drei Parteien, vor allem die beiden großen, aber auch die Unterneh-
mer ebenso wie die Gewerkschaften. Die Militärs erscheinen, zur Zeit der politischen
Führung allerdings untergeordnet, von der herrschenden mangelhaften Gesinnung
nicht ausgeschlossen. Nicht ausdrücklich ist die Rede in Ihren Ausführungen von
den Kirchen, den Professoren und den Instrumenten der öffentlichen Meinung (nur
der >Spiegel< ist - mit Recht - als unerläßliches Organ für die Demokratie hervorge-
hoben).1643 Es sind sonst keine Zeitungen genannt, Funk und Fernsehen sind einmal
kurz gestreift. Ebenso ist auch die Rolle der Intellektuellen, d.h. der Schriftsteller,
nur kurz gestreift1644 - wahrscheinlich mit Recht, da sie (trotz der bekannten hefti-
gen Reaktion bei Erhard1645 und anderen) den Gang der Politik nicht zu beeinflussen
scheinen.
Wenn ich so resümiere, dann tue ich es nicht, um zu kritisieren, nein, man muß
diesem Gesamtbild wohl zustimmen. Das Gesamtbild aber muß doch eigentlich
lauten: Nicht die politischen Herrschaftsgruppen allein versagen jetzt und drohen,
Deutschland in den Abgrund von Unfreiheit und vielleicht einer endgültigen natio-
nalen Katastrophe zu stürzen, nein, vielmehr scheint das eigentliche Ergebnis zu sein,
daß das ganze deutsche Volk politisch unreif ist und nicht mündig für die parlamenta-
risch-freiheitliche Demokratie. Denn ebenso, wie man nicht Hitler die Gesamtschuld
aufbürden kann, so kann man nicht Erhard, Wehner, Strauß alles aufbürden. Damit
will ich diese keinesfalls entlasten, sondern Ihr Appell muß bedeuten - und dies ist
sicher in Ihrem Sinn -, daß wir alle in irgendeiner Form aktiv werden müssen, damit
die öffentlichen Dinge auf einen anderen, besseren Weg gelangen.
Wahrscheinlich wird es dabei darauf ankommen, daß möglichst viele konkrete
Vorschläge gemacht werden. Ich finde infolgedessen zentral wichtig in Ihrer Schrift
die konkreten Forderungen - außer den außenpolitischen -, z.B. die Abschaffung
der Fünf-Prozent-Klausel und die Änderung der verfassungsrechtlichen Stellung des
Kanzlers.1646
Ich hatte selbst bisher nicht an die Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel zu den-
ken gewagt, da einem ja die Zerstörung der politischen Willensbildung in der Weima-
rer Republik durch die Atomisierung der Parteien noch in den Knochen sitzt. Aber Sie
haben recht: wie sollte sonst eine Regeneration der Parteien einsetzen, wenn nicht
durch die Möglichmachung echter Opposition? Dem würde also auch eine, wenn zur
 
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