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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0163
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Dariusz Brodka

Josephos, dass Tigranes Syrien erobert habe; bei Eustathios kommen die Gesandten
der Alexandra nach der Einnahme der Stadt Ptolemais beim Armenierkönig an, bei
Flavios Josephos hingegen während der Belagerung (vgl. Flavius losephus, Bellum
ludaicum I n6 und Antiquitates ludaicae XIII 421). Ein wesentliches Element dieser
Geschichte bildet die Darstellung des römisch-armenischen Krieges. Zum Rückzug
aus Syrien wurde Tigranes durch den Vorstoß der römischen Armee gezwungen, die
unter dem Kommando des Lucullus Armenien angriff. Dabei begeht Eustathios einen
groben Fehler, indem er Lucullus als römischen Kaiser bezeichnet.22 Flavios Josephos
weiß nichts mehr von den weiteren Kämpfen des Lucullus gegen Tigranes zu berich-
ten: Er übergeht sie sowohl im Bellum ludaicum als auch in den Antiquitates ludaicae.
Eustathios hingegen ergänzt seine Vorlage um wichtige Zusätze, indem er berichtet,
dass Tigranes von Lucullus in einer Schlacht besiegt und zum römischen Untertanen
gemacht worden sei.23 So reduziert Eustathios den langjährigen Krieg Roms gegen
Tigranes auf eine einzige Schlacht. In Wirklichkeit führte Lucullus in den Jahren
69 bis 67 v.Chr. harte Kämpfe gegen Tigranes: Er siegte bei Tigranocerta, Artaxata
und nahm Nisibis ein, wurde aber im Laufe des Krieges abberufen. Erst nach einigen
Jahren konnte Pompeius den Krieg beenden und Tigranes endgültig besiegen. Die
Ereignisse werden also verdichtet und vereinfacht, wobei Eustathios weit über seine
Hauptquelle, d.h. über das Bellum ludaicum und die Antiquitates ludaicae, hinausgeht.
Das Fragment endet mit einem knappen Bericht über den Tod der Alexandra sowie
über den Konflikt zwischen ihren Söhnen und über die Herrschaftsübernahme durch
Aristobulos (Eustathius, Epitome de Flavio losepho Z. 39-42 Allen), was eine genaue
Entsprechung bei Flavios Josephos in den Antiquitates ludaicae XIII 430, XIV 4-7 und
im Bellum ludaicum 1120-122 findet.
Dieses Fragment ist somit kein echter Auszug. Die Arbeitsweise des Eustathios
besteht nicht aus bloßem Exzerpieren: Obwohl Josephos’ Antiquitates ludaicae und
Bellum ludaicum hier als die Hauptquellen zu betrachten sind, die die ganze Episode
strukturieren, wird das daraus gewonnene Material von Eustathios mithilfe anderer
Quellen ergänzt, bearbeitet, verändert und neu interpretiert, wobei er die historischen
Abläufe erheblich vereinfacht: Die langjährigen Kämpfe der Römer gegen Tigranes
reduziert er auf eine Schlacht, die über das Schicksal des Armenierkönigs entschei-
den sollte. Dies erinnert an ein ähnliches Verfahren bei der Darstellung der Kämpfe
Theoderichs gegen Odoaker: Euagrios überliefert in seinem Eustathios-Exzerpt, dass
22 Der Fehler ist vermutlich das Resultat einer fehlerhaften Übersetzung der ursprünglichen lateinischen
Vorlage: Dort stand mutmaßlich das Wort Imperator, das von einem griechischen Autor der Kaiserzeit,
vielleicht von Eustathios selbst, anachronistisch als βασιΛεύς wiedergegeben wurde. Der Fehler geht
nicht auf Flavios Josephos zurück, denn dieser erwähnt Lucullus in Bellum ludaicum I 116 und
Antiquitates ludaicae XIII 421 und XIV 114 ohne jemals dessen Funktion oder Würde zu bestimmen.
Eustathios benutze also an dieser Stelle neben Flavios Josephos entweder eine weitere griechische
Quelle, die den Übersetzungsfehler fiao\AAq,-imperator schon begangen hatte, oder eine lateinische
Quelle, und beging den Fehler selbst.
23 Eustathius, Epitome de Flavio losepho A. 37-39 Allen: Τιγράνης (...) κρατηθείς τη προς τον
ΛούκουΛΛον μάχη Ρω μα ίο ις υποχείριος γέγονεν.
 
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